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„Wenn Ihr den Künstlern fremder Nationen<br />

So viel vergeben habt, und noch vergebt:<br />

Wie? wolltet Ihr nicht gern des eignen Volkes schonen?<br />

O beste königliche Stadt,<br />

Die nicht den kleinern Ehrgeitz hat,<br />

Das andere Paris zu werden;<br />

Die stets nach einem höhern Ziele stand:<br />

Die erste Stadt des ersten Volks zu werden . . ." 33<br />

Mit solchen Worten war das Publikum schon gewonnen, und die Vorstellung von Lessings<br />

Trauerspiel, das in Kochs Leipziger Erstaufführung seinen eigentlichen Siegeszug<br />

angetreten hatte 34 , in Berlin jetzt aber lange nicht gegeben worden war, erwies sich als<br />

geeignetes Debüt der Truppe. Karl Lessing berichtet am 22. Juni an seinen Bruder:<br />

„Koch ist mit seiner Truppe hier, und spielt schon seit neun Tagen. Er hat großen Beyfall,<br />

und ich glaube, nicht unverdienter Weise. Seine Leute sind eben keine großen Meister,<br />

doch erträglich. Ihre Vorstellungen fallen im Ganzen immer besser aus, als die Döbbelinischen:<br />

ungeachtet ich einzelne Rollen oft lieber von einem Döbbelinischen Acteur sehen<br />

möchte, als von einem Kochischen. . . . Brückner als Meilefont hat mich . . . nicht sehr<br />

erbauet. Empfindungen anzudeuten, scheint gar nicht seine Sache. Sein Schreyen wollte ich<br />

ihm verzeihen: er ist ein Sachse, und hat bisher auf einem großen Theater gespielt. . . .<br />

Geht er in das Großmüthige über, so hat er so etwas Bramarbasisches oder Döbbelinisches,<br />

daß er ohne seinen guten Anstand 35 und seine feine Figur unausstehlich sein würde.<br />

Madame Koch hat die Marwood sehr gut gespielt, viel natürlicher als die Schulzin 38 . . . .<br />

Wenn sie in allen Rollen so wäre, müßte sie auch der Neid für eine unserer besten<br />

Schauspielerinnen halten. . . . Meynst Du aber, daß hier wohl eine . . . Ursache wirken<br />

könne: ihre Schönheit; so erlaube mir, Dich zu erinnern, daß Du sie schon vor zwanzig<br />

Jahren gesehen hast, und Theaterdamen an die Fünfzig, und so dick als groß, meine<br />

Augen und Ohren wohl vor einem unrechten Eindrucke bewahren. Madame Starkin<br />

machte die Miß Sara. Ihr Äußeres steht zwar ihrem inneren Werthe nach; aber wahrhaftig,<br />

ich sehe lieber die schlechteste Rolle von ihr, als die beste von der schönen<br />

Döbbelin. Den Waitwell spielte Schubert. Vortrefflich, sage ich Dir. Diese Rolle hat<br />

mir immer etwas matt und langweilig geschienen, welches ich zum Theil dem Verfasser<br />

zugeschrieben habe; allein Schubert hat mich auf andere Gedanken gebracht, und nun<br />

scheint mir Waitwell eine von den wichtigsten und rührendsten Personen des Stückes<br />

zu seyn. Sampson war kalt: denn es war Schmelz; und Betty eine schöne artig gekleidete<br />

sächsische Kammerjungfer: es war die älteste Schickinn, die mit ihrer Schwester und der<br />

Mademoiselle Huber recht artige Mädchen sind." 37<br />

33 C. A. Bertram: Ueber die Kochische Schauspielergesellschaft. Aus Berlin an einen Freund. Berlin,<br />

Leipzig 1772, S. 16.<br />

54 Die Uraufführung fand nicht, wie z.B. Kürschner (Allgem. Deutsche Biographie, Bd. 16/1882,<br />

S. 381) noch annahm, in Leipzig statt, sondern am 10. 7. 1755 durch die Ackermannsche Truppe<br />

in Frankfurt a. d. Oder. Sie wurde jedoch noch längst nicht so beachtet wie Kochs Aufführung<br />

im April 1756 in Leipzig.<br />

35 „Anstand" bedeutete in der Schauspieltheorie der Zeit soviel wie würdiges oder gewandtes<br />

Auftreten und Benehmen, im Charakter der Rolle, aber unter Beherrsdiung und Beachtung der<br />

Gesetze der Ästhetik und der Etikette.<br />

36 Karoline Schulze-Kummerfeld (vgl. Teil 1, S. 22).<br />

** Dieses wie alle folgenden Briefzitate sind den Bänden 17-20 der historisch-kritischen Lessing-<br />

Ausgabe von K. Lachmann und F. Muncker (Stuttgart, Leipzig 1886 ff.) entnommen, die im<br />

übrigen als Quelle zur Theatergeschichte Berlins noch viel zu wenig ausgewertet worden ist.<br />

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