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„großem Mittags- und Abendtisch" einen eigenen Theatersaal. Paul Dillner, dem auch das<br />

vom Kronprinzen bevorzugte Schwabes Hotel in Zinnowitz gehörte, war Eigentümer des<br />

Gartenrestaurants zum „Prinzen Handjery", Handjerystraße 42. Ecke Kirchstraße 21, in<br />

dem sich heute eine Pizzeria. der schlichte Berliner Speisungsschlager des letzten Jahrzehnts,<br />

befindet, mit „Mittagstisch von 12 — 4 Uhr" und „stets reichhaltiger Abendkarte".<br />

Biere — Münchner Franziskaner Leistbräu, Pilsener Urquell, Kulmbacher Reichel und<br />

Pilsator Hell - wurden in Ein-Liter-Krügen oder Fünf-Liter-Siphons auch außer Haus<br />

verkauft. Als letztes aus dieser Zeit mag noch Otto Wendts Milchl uranstalt Friedenau in<br />

der Handjerystraße 69 erwähnt werden, die als „Spezialität frische Milch für Kinder und<br />

Kranke" lieferte, wobei die „Kindermilch nach polizeilicher Vorschrift von geimpften<br />

Kühen" stammte und sich daher „hier die einzige Möglichkeit" bot, „dem Preis entsprechend<br />

eine saubere, unverfälschte Milch zu erhalten".<br />

Höhere und mittlere Beamte, Militärs, Mediziner und Juristen. Künstler, Rentiers. Kaufleute<br />

und Handwerker. Witwen, Lehrerinnen und eine hohe Zahl weiblicher Dienstboten<br />

hatten in diesen Jahren nach der Jahrhundertwende bis zum ersten Weltkrieg den Charakter<br />

Friedenaus geprägt. Am Maybachplatz gegenüber dem Birkenwäldchen wohnte man<br />

mit Kammerdiener und Butler und am Wagnerplatz gab sich die Demimonde ihr Stelldichein.<br />

Ältere Einwohner erinnern sich noch der mehrfachen Kaiserbesuche bei den Bildhauern<br />

Casal und Götz in der Wilhelm-, der jetzigen Görresstraße, und bei dem Marinemaler<br />

Bohrdt in der Niedstraße 13, die stets in völliger privater Ungezwungenheit ohne<br />

Sicherheitsvorkehrungen verliefen. Bohrdt war begeisterter Sportsegler und genoß internationale<br />

Anerkennung. Auch Prinz Heinrich weilte oft in seinem Atelier. Noch vor dem<br />

ersten Weltkrieg war Bohrdt nach Dahlem verzogen, wo er hochbetagt im Alter von<br />

89 Jahren 1945 sterben sollte.<br />

Als im Herbst 1911 die Maler der Dresdener „Brücke" nach Berlin übersiedelten, mietete<br />

sich Karl Schmidt-Rottluff in der Niedstraße 14 ein, in einem viergeschossigen Miethausbau,<br />

den die geometrische Versachlichung des Jugendstils kennzeichnet. Von seiner<br />

Atelierwohnung unter dem Dach genoß er einen herrlichen Rundblick auf die umliegenden<br />

Häuser und die Felder der Umgebung. Damals lebten siebzehn Architekten, siebenundzwanzig<br />

Bildhauer, siebenundvierzig Kunstmaler, zehn Gesangs-, dreißig Musik-, vier<br />

Tanzpädagoginnen und zehn Musikdirektoren in Friedenau. Kurz nach der Jahrhundertwende<br />

hatte der Schriftsteller Georg Hermann in der damaligen Kaiserallee 108 „Jettchen<br />

Gebert", seinen Roman aus dem jüdisch-bürgerlichen Leben der Biedermeierzeit, geschrieben.<br />

Aufregende Abwechslung bedeutete für die Jugend jedesmal der Einsatz der Freiwilligen<br />

Feuerwehr, die jetzt ihr Spritzenhaus am Rande eines Freiplatzes in der Schmargendorfer<br />

Ecke Handjerystraße besaß, auf dem Gelände, das für den Rathausbau vorgesehen<br />

war und das später die Post bebaute. Oft genug halfen bei der Brandbekämpfung die<br />

Berufswehren aus Steglitz, Wilmersdorf oder Schöneberg, die mit ihren pferdebespannten<br />

Leiterwagen und Dampfspritzen über die Straßen galoppierten. Das Spritzenhaus bezog<br />

später die Schmiede, aber der Name „Zur Dampfspritze" hatte sich noch lange in einem<br />

kleinen Bierlokal erhalten.<br />

Dann brach der Weltkrieg aus, und die Gemeindevertretung hielt ihre erste Kriegssitzung<br />

am 6. August 1914 ab. Am nächsten Tag wurde die „Zentralstelle für vaterländische Hilfe"<br />

eingerichtet. Wenige Wochen vor Kriegsende, am 1. Oktober 1918, konnte das neue Postamt<br />

am Wilmersdorfer Platz, dem jetzigen ReneerSintenis-Platz, eröffnet werden, dem<br />

acht Jahre später, 1926, der Erweiterungsbau in der Schmargendorfer Straße angegliedert<br />

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