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Der expressionistische Dichter Ernst Blass schrieb: „Sie fühlt sich in gotische Bildwerke ein,<br />

in mystische Verschwebungen und Gebärden. Hierbei aber findet sie etwas anderes als sie<br />

suchte, in für sie fruchtbarster Weise, - die Gotik ist nicht nur 'fromm' und 'gläubig'. Hier<br />

wird sie mystisch, individuell, seelenhaft." 4 Besonders fasziniert zeigt sich Blass von dem<br />

„Totentanz", er nennt die Bara „großartig und unvergeßlich". Inspiriert von Ausdruck und<br />

Bewegung der Künstlerin zeigte sich auch Georg Kolbe — er schuf die Mappe „Eine Tänzerin"<br />

für den Seemann Verlag in Leipzig. Die originalen Tuschzeichnungen dazu werden<br />

neben anderen in einer Sonderausstellung des Kolbe-Museums anläßlich der 15. Europäischen<br />

Kunstausstellung „Tendenzen der zwanziger Jahre" zu sehen sein. Stärker als bisher 5<br />

wird dann deutlich werden, daß Plastiken wie die „Kathedrale" in diesem Zusammenhang<br />

entstanden sein müssen. Der für eine figürliche Plastik ungewöhnliche Titel weist auf die<br />

frommen Tänze der Bara hin.<br />

Else Lasker-Schüler dichtet:<br />

„Charlotte wandelt an den Nachmittagen<br />

Durch ihre Gartengänge grünen Heiligensagen<br />

Von frommer Dämmerung ins Himmelreich getragen." 6<br />

Der Garten umgibt das mittelalterliche Castello San Materno in Ascona, das die Familie<br />

Bachrach in Konkurrenz zu Gerhart Hauptmann 1919 erwerben konnte. Auf diesem<br />

Anwesen entstand 1928 nach Plänen des Worpsweder Architekten Carl Weidemeyer, DWB,<br />

das kleine Teatro San Materno als Versuchs- und Kammerspielbühne und für die Schulung<br />

des Nachwuchses. Die Gästewohnungen für Schüler und Künstler gehören zu den ersten<br />

Ferienwohnungen im Tessin überhaupt.<br />

Die Aufgaben der Schule und die politischen Verhältnisse ließen Gastspiele in Berlin nicht<br />

mehr zu, und so ist es hier still geworden um Charlotte Bara, die in Ascona lebt und aus<br />

ihrem reichen Gedächtnis Erinnerungen notiert; ein Verleger hat sich allerdings noch nicht<br />

gefunden. Zwei so vielfältig verbundene Orte, Berlin und Ascona, dazu Worpswede und die<br />

vielen Bekanntschaften von Tourneen — kaum vorstellbar, wie viele bedeutende Persönlichkeiten<br />

ihren Weg gekreuzt haben. Mancher unter den älteren Berlinern wird sich vielleicht<br />

noch erinnern können an diese Form sakraler Kunst, die ihre Vorbilder fand in bildlichen<br />

Darstellungen des Mittelalters, aber auch in den Wandmalereien Ägyptens, neuen Ausdruck<br />

suchend in mystischer Verklärung.<br />

1 Rudolf Pfister: Theodor Fischer. München 1968. S. 68.<br />

2 Christian Rohlfs: Blätter aus Ascona. München 1955 (Piper-Bücherei Nr. 80).<br />

3 Munkepunke-Bibliographie. Berlin 1933, Nr. 54.<br />

4 Ernst Blass: Das Wesen der neuen Tanzkunst. Weimar 1921, S. 38.<br />

5 Plastiken und auch einige Blätter der Mappe sind ständig im Georg-Kolbe-Museum zu besichtigen.<br />

6 Vollständig in: Margarete Kupper, Wiederentdeckte Texte Else Lasker-Schülers, in: Literaturwiss.<br />

Jahrbuch. Im Auftr. der Görres-Gesellschaft hrsg. von Hermann Kunisch, NF Bd. 5 (1964), S. 246.<br />

322<br />

Anschrift des Verfassers: Burgemeisterstraße 56 c, 1000 Berlin 42

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