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Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku

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„Man hat mit an Fliadr, mit an Messer inegschnitta, in die Klauentrichter, in<br />

die Schwellung da rein geschnitten. (…) Es gibt heute noch Leut, die des<br />

vielleicht machen, aber nimmer viel. (…) Aber warum des nachher<br />

funktioniert, des weiß auch niemand. Aber zum Teil ham sie Erfolg ghabt.“<br />

(GP1A)<br />

Der Schnitt soll die Geschwulst öffnen, damit Luft dazu kommt. Eine andere Erklärung,<br />

die oft genannt wird, ist, dass so die Hitze oder das „wilde Blut“ weggehen soll. Der<br />

Schnitt in das Euter der Kuh (2 Nennungen) wird bei verhärtetem oder geschwollenem<br />

Euter angewandt. Nach Angaben eines Gesprächspartners wird auf halber Höhe des Euters<br />

ein drei bis vier Millimeter langer, horizontaler Schnitt angebracht. Ein anderer<br />

Gesprächspartner gibt an, dass bei einer Euterentzündung ein Schnitt ins Euter <strong>für</strong> ihn die<br />

erste Maßnahme ist: „Des erschte is glei neihaua, dass d´Hitza weg ischt.“ (GP21A) Hier<br />

wird dieselbe Erklärung wie beim Aderlass gegeben: Überall wo Blut austritt, geht die<br />

Hitze weg. Dieser Landwirt benützt <strong>für</strong> den Schnitt eine Rasierklinge, andere ein Messer<br />

oder eine Schere. Derselbe Bauer hat einen schon verheilten Schnitt gezeigt, den er am<br />

Beckenknochen einer Kuh bei einem Bluterguss angebracht hat. Durch die Öffnung kann<br />

Blut und Eiter austreten und die Verletzungen heilen. Ein Hausmittel, das nur noch aus<br />

früherer Zeit bekannt ist, ist ein Schnitt in das Büggeli der Hühner (unidentifizierter<br />

Körperteil - 1 Nennung), wenn sie in keiner guten Verfassung waren.<br />

5.3.2.12 Aderlass<br />

Beim Aderlass (10 Nennungen) werden der Kuh mehrere Liter Blut aus der Halsschlagader<br />

abgezapft. Er wird vor allem in zwei Fällen angewendet: Zum einen wenn eine Kuh auch<br />

nach mehrmaliger Besamung nicht trächtig wird, weil sie zu dick ist. Eine schwache Kuh<br />

wird nach Meinung der Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen eher trächtig als eine<br />

starke, „nur a strapazierte Kuh hat Energie.“ (GP18A) Die Erklärungen reichen hier von<br />

zu viel oder zu hitzigem Blut bis zu „der geht’s zu gut”. In diesem Fall macht man den<br />

Aderlass idealerweise bis zu vier Tagen nach der Besamung. Vor der Zeit der künstlichen<br />

Besamung gab es in jeder Parzelle einen Stier, zu dem die Bauern und Bäuerinnen mit<br />

ihren brünstigen Kühen gegangen sind. Der Stierhalter war oft auch Spezialist <strong>für</strong> den<br />

Aderlass, da er ihn vielfach nach der Besamung <strong>für</strong> die anderen Bauern und Bäuerinnen<br />

gemacht hat. „Da Aderlass, des hat ma eigentle unwahrscheinlich viel gmacht, oder.“<br />

(GP21A) Der zweite Grund <strong>für</strong> einen Aderlass ist das Gallfieber, also eine akute<br />

fieberhafte Euterentzündung durch eine Infektion, die entweder über den Zitzenkanal oder<br />

über den Blutweg erfolgt. Ein Landwirt erklärt die Wirksamkeit so, dass sich Blut im Euter<br />

staut und nach dem Aderlass rasch alle Reserven des Körpers aufgebraucht werden, also<br />

auch diese Stauung.<br />

„Wenn der Aderlass gewirkt hat, dann ist nacha drei, vier Stunden, ist das<br />

Euter zusammengefallen. Natürlich muss man dann gut dazuschauen,<br />

nachmelken und so weiter, aber das war vor de Antibiotika, das was am<br />

schnellsten gewirkt hat.” (GP28A)<br />

Der Kopf der Kuh wird mit einem Halfter nach unten gebunden, um ihre<br />

Bewegungsfreiheit einzuschränken. Dann wird eine Schnur, ein Strick, ein Heubändle oder<br />

eine Kette verwendet, um die Halsschlagader fest abzubinden. Die Schnur schneidet dabei<br />

ziemlich in den Hals ein und die Kuh tut sich schwer mit dem Atmen und Schlucken. Der<br />

Knoten, mit dem die Schnur fixiert wird, sollte fest sitzen und gleichzeitig schnell lösbar<br />

sein. Die verwendeten Ketten haben eine entsprechende Vorkehrung und einer der<br />

gezeigten Stricke hatte da<strong>für</strong> eine selbstgeschnitzte Öse aus Holz. Die Schlagader schwillt<br />

nach einigen Minuten an, was mit dem Finger überprüft wird. Dann wird ein Fliadr<br />

verwendet (Abbildung 64: Ein viel verwendeter Fliadr mit dazugehöriger Kette): ein<br />

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