Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Geburtshilfe, das Klauenschneiden, der Pansenstich, Schnitte und der Aderlass<br />
dokumentiert.<br />
Weitere Ergebnisse aus den Gesprächen mit den Gesprächspartnerinnen und<br />
Gesprächspartnern umfassen die geschichtlichen Veränderungen in der Tierheilkunde. Es<br />
wird auf die Unterschiede in der Nutztierhaltung im Vergleich von früher zu heute<br />
eingegangen. Auch die Tierkrankheiten waren früher andere als heute. Die Tierheilkunde,<br />
wie sie von den Bäuerinnen und Bauern selbstständig praktiziert wird, hat sich durch das<br />
Aufkommen der Veterinärmedizin gewandelt und wurde stark zurückgedrängt. Die Gründe<br />
<strong>für</strong> und wider die Anwendung von Hausmitteln sind vielfältig. Das wichtigste Argument<br />
<strong>für</strong> die Anwendung von Hausmitteln sind die hohen Tierarztkosten und dagegen spricht<br />
vor allem die langwierige Behandlung und Genesung. Weitergegeben wird das Wissen um<br />
die Tierheilkunde meist von der älteren an die jüngere Generation, aber auch im Austausch<br />
der Landwirte und Landwirtinnen einer Altersgruppe untereinander. Es gab und gibt noch<br />
immer einige Spezialistinnen und Spezialisten die allgemein oder in Teilbereichen der<br />
Tierheilkunde profundes Wissen angesammelt haben. Sie stehen ihren Nachbarn und<br />
Bekannten wie jeher mit Rat und Tat zur Seite, wenn es ein Gesundheitsproblem im Stall<br />
zu behandeln gilt.<br />
Der letzte Themenbereich umfasst die religiösen Bräuche und Praktiken, die mit der<br />
Gesunderhaltung und Krankheitsbehandlung von Nutztieren in Verbindung gebracht<br />
werden. Am Heiligdreikönigstag werden unter anderem Salz, Wasser und Weihrauch<br />
geweiht. Das Salz wird zu diesem und anderen Anlässen den Tieren verfüttert und<br />
Weihwasser, sowie Weihrauch, wird zum Segnen der Tiere verwendet. Zu Ostern lassen<br />
viele Bewohner und Bewohnerinnen des Tals einen Palmbuschen weihen, der dann<br />
ebenfalls zum Räuchern verwendet wird und auch im Stall aufgehängt wird. Zum<br />
Alpauftrieb und -abtrieb werden die Tiere auch auf unterschiedliche Weise geweiht, und<br />
die gesamte Alpe wird von einem Geistlichen gesegnet. An Maria Himmelfahrt wird ein<br />
Kräuterbuschen geweiht, über den der kirchliche Segen auf die Tiere übertragen wird.<br />
Neben einem Erntedankbrauch und der Segnung des Kapuzinerordens gibt es noch die<br />
Praxis, die von zwei Gesprächspartnern und einer Gesprächspartnerin ausgeübt wird: die<br />
Behandlung von Warzen und Schab mit Hilfe von Gebeten und Gesten.<br />
Das Dreiecksverhältnis aus Pflanze, Tier und Mensch stellt ein spannendes Forschungsfeld<br />
dar. Die Sichtbarmachung und Anerkennung des lokalen Erfahrungswissens über die<br />
pflanzliche Vielfalt ist ein Anliegen des gesamten Projekts. Da das alte Wissen vergessen<br />
zu werden droht, kann mit der vorliegenden Arbeit ein kleiner Beitrag zum Erhalt dieses<br />
immateriellen, kulturellen Erbes beigetragen werden.<br />
132