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Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku

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angemessenste Charakterisierung <strong>für</strong> den ethnoveterinärmedizinischen Wissenskomplex<br />

einer bestimmten Personengruppe (2001:6).<br />

Eine als Orientierung dienliche Definition wird von Ruddle in folgenden Punkten<br />

formuliert: Basierend auf lokalen, empirischen Beobachtungen über längere Zeiträume ist<br />

lokales Wissen an regionale Gegebenheiten angepasst und umfasst oft zahlreiche Details.<br />

Zudem ist es auf praktische Art und Weise an der Anwendung orientiert und bezieht sich<br />

auf wichtige Ressourcen. Ein weiterer Aspekt ist die Strukturiertheit des Wissens, da ein<br />

Verständnis von <strong>ökologischen</strong> Zusammenhängen und vom Umgang mit natürlichen<br />

Ressourcen besteht. Der Erkenntnisgewinn ist fast ausschließlich induktiv, er basiert also<br />

auf zahlreichen Beobachtungen, welche nicht systematisch durchgeführt werden. Ruddle<br />

spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten „post hoc“ (2001:280) Erklärungen.<br />

Außerdem sind lokale Wissenssysteme dynamisch, das heißt es können auftretende<br />

Veränderungen flexibel integriert werden (Ruddle 2001:279f.).<br />

Der Teilbereich des traditionellen <strong>ökologischen</strong> Wissens (traditional ecological<br />

knowlegde) bezieht sich auf das Wissen lokaler Bevölkerungsgruppen, das durch einen<br />

direkten Kontakt mit der Natur über Tausende von Jahren hinweg erworben wurde. Es<br />

umfasst detaillierte und genaue Kenntnisse der Flora und Fauna, der Naturphänomene, der<br />

Entwicklung und des Einsatzes von Technologien <strong>für</strong> die Jagd, Fischerei, Land- und<br />

Forstwirtschaft, sowie ganzheitliches Wissen beziehungsweise ein Weltbild - von den<br />

Phänomenen, die in der Wissenschaft unter Ökologie zusammengefasst werden (Inglis<br />

1993:vi). Definiert wird traditionelles ökologisches Wissen als ein kumulativer<br />

Wissenskörper, welcher Glaubensvorstellungen miteinschließt und durch kulturelle<br />

Überlieferung über Generationen weitergegeben wird. Es betrifft die Beziehungen von<br />

Menschen, Tieren und Pflanzen, also aller Lebewesen, untereinander und mit ihrer<br />

Umwelt. Außerdem ist es charakteristisch <strong>für</strong> Gesellschaften mit historischer Kontinuität<br />

in der Nutzung von Ressourcen, welche technologisch und industriell weniger<br />

fortgeschritten sind und daher großteils als indigen bezeichnet werden (Berkes 1993:3).<br />

Neben den Komponenten des Wissens und des Glaubens wird besonderer Wert auf die<br />

Praxis gelegt, also die Art wie die Menschen ihre Aktivitäten ausführen (Berkes 1999a:19).<br />

Die Erhaltung des traditionellen <strong>ökologischen</strong> Wissens ist besonders wichtig aus soziokulturellen<br />

und ethischen Gründen, doch die Relevanz <strong>für</strong> die Wissenschaft, Technologie<br />

und Entwicklungszusammenarbeit steht außer Frage 4 (McCorkle 2001:27ff.).<br />

2.1.2 Soziale Dimensionen lokalen Wissens<br />

Analytisch lassen sich verschiedene allgemeine Wissenarten unterscheiden, wodurch<br />

deutlich wird, dass es sich keineswegs ausschließlich um exotisches, rurales Wissen aus<br />

alten Zeiten handelt. Antweiler nennt hier ein Wissen, das einzelne Tatsachen betrifft,<br />

welche eine hohe Komplexität aufweisen können. Hinzu kommt das Wissen über die<br />

Zuordnung in Kategorien. Ein weiterer Bereich ist das Wissen über allgemeine oder<br />

spezielle Abläufe beziehungsweise Prozesse, sowie das komplexe Wissen über Konzepte,<br />

Glaubensbereiche und ganze Wissenssysteme (Antweiler 1994:37).<br />

Lokales Wissen hat sowohl fixierte, strukturierte und artikulierbare Anteile, als auch<br />

Bereiche, die durch die Verbindung mit dem performativen Ausführen etwas Prozesshaftes<br />

und Veränderbares miteinschließen. Im Englischen wird diese Unterscheidung durch<br />

unterschiedliche Begriffe deutlich: knowledge bezeichnet das, was inhaltlich gewusst wird,<br />

4 Zum Verhältnis von traditionellen <strong>ökologischen</strong> Wissen und der Wissenschaft vergleiche Berkes 1993:3ff.<br />

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