Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
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(Chelidonium majus) und im Großen Walsertal durch Zahnwurz (Cardamine sp.) ersetzt<br />
(Schertler 2005:197) – was aus den Forschungsergebnissen nicht bestätigt werden kann.<br />
Die Autoren Bertel et al. aus dem Großen Walsertal bestimmen den Gaällwürzlistock<br />
(1995:116) wiederum als den Neunblättrigen Zahnwurz (Dentaria enneaphyllos). Sie<br />
setzen gällig sein und Gallenfieber gleich, was von den Gesprächspartnerinnen und<br />
Gesprächspartnern unterschieden wurde (Tabelle 4). Dass eine Leberfunktionsstörung<br />
Grund <strong>für</strong> den schlechten Gesundheitszustand ist, haben jedoch auch einige Bäuerinnen<br />
und Bauern erzählt. Das Gällna wird in Kurzform ebenso beschrieben wie in den<br />
Interviews (Bertel et al. 1995:116).<br />
6.4 Glaube, Religion und Bräuche mit Bezug auf Tiere<br />
Der Glaube an die Hausmittel wird von Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern<br />
ebenso wie in der Literatur als ein Grund <strong>für</strong> ihre Wirksamkeit genannt (Bertel et al.<br />
1995:24). Die Ausübungsformen von kirchlichen Bräuchen weisen in den verschiedenen<br />
Regionen Österreichs große Ähnlichkeiten mit den oben beschriebenen Praktiken auf<br />
(Wolf 2000). Nach Angaben der Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen werden die<br />
religiösen Bräuche und Praktiken im Großen und Ganzen von alters her so praktiziert wie<br />
heute. Interessanterweise wurden die Tiere auch bei neueren Bräuchen, wie dem erst seit<br />
einigen Jahrzehnten praktiziertem Erntedankfest, gleich miteinbezogen (5.3.3.5<br />
Erntedank).<br />
Geweihte Hausmittel<br />
Die Weihe von Salz und Wasser, und dessen Verwendung in der Tierheilkunde, ist auch in<br />
der Literatur zu finden (Martin et al. 2001:13, 17). Dreikönigssalz und Weihwasser wird<br />
mit pflanzlichen und tierischen Hausmitteln auf eine Ebene gestellt (Bertel et al. 1995:12).<br />
In Galtür hat man früher mit dem Dreikönigssalz auch heimlich Knoblauch weihen lassen,<br />
zum Schutz vor Seuchen (Bodlak 1923:180). Tschaikner beschreibt, dass die Vorarlberger<br />
Bauern und Bäuerinnen verletzten und kranken Tieren Salz und „Zeüg“ verfüttert haben,<br />
das sie vom Herrn „capuciner“ erhalten hatten (Tschaikner 1997:86) (5.3.3.6 Segnung<br />
vom Kapuzinerorden). Salz ist ein lebensnotwendiges Mineral, das die autonomen Walser<br />
und Walserinnen früher nicht herstellen konnten. Sie mussten es wahrscheinlich über die<br />
wenigen Handelsbeziehungen teuer erstehen, weshalb man es den Tieren auch nur selten<br />
gab. Der Brauch des Salzfütterns wurde zu besonderem Anlässen in relativ regelmäßigen<br />
Abständen durchgeführt - wie Heilig Dreikönig (6. Januar), zum Alpauftrieb (Frühjahr),<br />
zum Alpabtrieb (Herbst) und nach dem Abkalben (oft im Winter). Auf Grund der<br />
Kostbarkeit und der Notwendigkeit wurde das Verfüttern von Salz an die Tiere<br />
„ritualisiert“.<br />
Blutstillen und Schab beziehungsweise Warzen wegmachen<br />
Aus der Steiermark und anderen Regionen Österreichs ist das „Abbeten“ von Krankheiten<br />
überliefert, welches starke Ähnlichkeit mit den oben beschriebenen Behandlungen von<br />
Schab und Warzen aufweist (5.3.3.7 Warzen und Schab wegmachen). Es werden<br />
Handbewegungen, also Berührung, Ausstreichen oder Drücken des erkrankten Körperteils,<br />
mit Worten kombiniert. Meistens werden christliche Gebete aufgesagt, es wurden jedoch<br />
auch Segnungen und magische Beschwörungen dokumentiert (Grabner 1962:359). Gemäß<br />
des Konzepts des Synkretismus, sind hier, wie auch beim Räuchern, christliche und nichtchristliche<br />
Elemente soweit verschmolzen, dass keine Trennung mehr gezogen werden<br />
kann (Grabner 1962:370). Die Sprüche wurden von den Praktizierenden oft streng geheim<br />
gehalten, da sie riskierten, bestraft zu werden (Grabner 1962:368). Obwohl fast alle<br />
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