Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
dem Heiligen Wendelin, gebetet. Vor langer Zeit sind die Landwirte und Landwirtinnen<br />
auch am Martinstag (11. November) in die Martinskirche in Ludesch zur Messe gewandert.<br />
118<br />
„Und da hat meine Mutter dann von de geweihten Kräutern - waren des<br />
oder Heublumen - hat sie so a Mischung gmacht (…). Dann hat sie von dem<br />
geweihtem Salz genommen auf die Blumen gestreut und was hat sie noch<br />
dreidoa - wohl epas Unmöglichs - dann hat sie auf a sauberes Papierli a<br />
paarmal den Namen Jesus geschrieben und das zusammen gefaltet und mit<br />
da Schere ganz klein geschnipselt und da unter die geweihten Blumen - also<br />
das ist zu viel das han ich nie gemacht. Der Name Jesus - in Gottes Namen!<br />
Und das hed ma dem Vieh am Vorabend, bevor man auf die Alm gezogen<br />
ischt, unter das Kraftfutter gegeben, jedem as Hanpfili, ja so, dass sie gsund<br />
bleiben und gebetet dem heiligen Martinus und an heiligen Wendelin zu<br />
Ehren - das sind die Bauernheiligen - beten ma jetzt noch ein Vaterunser.<br />
(…) des duat ma heut noch zum Teil. Aber ob des a Aberglauba war, das<br />
des bizili geweihte Heublumen da - aber wohl, wer´s glaubt wird selig, gell.<br />
(…) Dass unser Vieh gesund erhalten und sie gesund im Herbst wieder<br />
kommen.“ (GP19)<br />
Ein Landwirt erzählt, dass man nach einer Regel am Mittwoch keine Tiere treiben soll,<br />
sondern die geraden Wochentage - den Dienstag, Donnerstag und Samstag - bevorzugen<br />
soll.<br />
„Man kann im Tal beobachten, dass am einem Dienstag fast alle Alpen, am<br />
Dienstag auf die Alpe fahrn und beim Abtrieb ist des auch so. Was ma heute<br />
schon mehr schaut ist des Wochenende, weil ma da mehr Leut zur Verfügung<br />
hat, weil man einfach in der Familie Leute hat, die einem anderen Beruf<br />
nachgehen und die man dann braucht.“ (GP3)<br />
Beim Alpabtrieb im September werden die Tiere noch teilweise getrieben. Vor allem der<br />
Alpabtrieb der Alpen Steris, Oberpartnom oder Huttla ist ein Festtag <strong>für</strong> Touristen und<br />
Einheimische gleichermaßen. Im Dorfzentrum Raggal wird an einem festgelegten Tag<br />
gefeiert, während die zurückgekehrten Rinder auf einer Weide ihren reichen Schmuck zur<br />
Schau stellen. Sie tragen Kopfteile und Bauchgurte, die mit verschiedenen Pflanzen und<br />
Blumen umwickelt werden, wie Alpenrosen (Rhododendron sp.) Schwalbenwurzenzian<br />
(Gentiana asclepiadea), Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), Eberesche (Sorbus<br />
aucuparia), Latsche (Pinus mugo), Tanne und Heidekraut (Calluna vulgaris). Außerdem<br />
dekoriert man die Aufbauten mit Papier und bringt Papierblumen an. Das Herzstück der<br />
schönsten Kronen ist ein Kreuz oder Heiligenbild. Ein Gesprächspartner erzählt, dass er<br />
gerne am Vorabend des Alpabtriebs mit den anderen Landwirten und Landwirtinnen<br />
zusammen kommt, um diese Maia zu binden. Die Hirten tragen auch Blumen am Filzhut,<br />
vor allem Nelken (Dianthus sp.) und Rosmarin (Rosmarinus officinalis). Seit ungefähr 100<br />
Jahren tragen die Rinder auf der Weide Kuhglocken. Für den Alpabtrieb werden den<br />
Kühen besonders große Glocken angelegt, mit Gravuren und bestickten Lederriemen. Die<br />
Glocken werden entsprechend ihrer Form Singesa, Plümpa und Klepfa genannt. Die<br />
größten und schönsten der gegossenen Singesa-Glocken werden den besten und schönsten<br />
Kühen umgebunden. Die Plümpa hat einen dumpfen Klang und die Klepfa einen grellen,<br />
beide sind aus Blech und kleiner. Auf manchen Alpen werden die Kühe vom Alppersonal<br />
gekürt und nur diese freia Küah, die besonders umgänglich sind und viel Milch geben,<br />
werden geschmückt. Nach Angaben eines Gesprächspartners ist dieser Brauch ein<br />
Ausdruck von Freude und Dank, dass der Sommer gut verlaufen ist. Er meint auch, dass<br />
manche Kühe stolz sind und sich wie Models präsentieren. Wenn eine Kuh auf der Alpe<br />
verunglückt ist, wird hingegen nicht geschmückt, auch die Hirten tragen dann keinen