Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
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6 Diskussion<br />
Unter Bezugnahme auf internationale und auch Vorarlberger Literatur werden in der<br />
Diskussion die Ergebnisse der Forschungsarbeit analysiert und interpretiert. Es fließen<br />
außerdem die Anschauungen der Autorin mit ein.<br />
Die Dimensionen des Wissens, welche durch die Begriffe knowledge und knowing<br />
differenziert werden (2.1.2 Soziale Dimensionen lokalen Wissens), sind im<br />
Forschungsprozess klar sichtbar geworden. In den Interviewsituationen wurde sowohl<br />
konkretes Wissen um Tatsachen als auch die Flexibilität und Beweglichkeit des Wissens<br />
im sozialen Zusammenleben und im Wandel der Zeit deutlich. Die Art und Weise wie auf<br />
ein Gesundheitsproblem reagiert wird, variiert von Fall zu Fall, entsprechend der<br />
gegebenen Umstände. Das lokale Erfahrungswissen eines Individuums ist eindeutig und<br />
hat beständig überdauert, zugleich ist es jedoch auch dynamisch und veränderlich<br />
(Borofsky 1994:335).<br />
6.1 Tierheilkunde im Wandel<br />
Hausmittel<br />
Obwohl eine große Zahl von Hausmitteln dokumentiert werden konnte – insgesamt 396<br />
Nennungen – geht aus den Interviews mit den Landwirtinnen und Landwirten im Großen<br />
Walsertal hervor, dass altbewährte Hausmittel heute nicht mehr den Stellenwert haben, den<br />
sie früher eingenommen haben. Durch die Inanspruchnahme der Veterinärmedizin wurden<br />
viele tierheilkundliche Praktiken, die früher von den Bäuerinnen und Bauern angewandt<br />
wurden, verdrängt und im Laufe der Zeit teilweise vergessen. In der Literatur finden sich<br />
ähnliche Aussagen. Pieroni et al. schreiben, dass in der untersuchten Forschungsregion<br />
Lucania/Italien traditionelle Tierheilkunde im Verschwinden begriffen ist und Hausmittel<br />
durch pharmazeutische Medikamente ersetzt werden. Das veterinärmedizinische System<br />
beeinflusst große Teile der bäuerlichen Tierheilkunde und hat fast alle Aspekte des<br />
traditionellen Gesundheitssystems abgedeckt (Pieroni et al. 2004:59).<br />
Der Großteil der im Großen Walsertal genannten Hausmittel ist pflanzlichen Ursprungs.<br />
Die pflanzlichen Heilmittel nehmen auch in der ethnoveterinärmedizinischen Forschung<br />
eine zentrale Stellung ein, sie sind am besten erforscht und Thema zahlreicher<br />
wissenschaftlicher Publikationen (McCorkle et al. 2001:8). Die verwendeten Hausmittel,<br />
die Verarbeitungsformen und Anwendungsarten, werden von den Gesprächspartnern und<br />
Gesprächspartnerinnenähnlich beschrieben wie in der Literatur (McCorkle et al. 2001:8ff.<br />
und Grasser 2006:38ff.).<br />
Unter den Gründen, warum Hausmittel verwendet werden, sind vor allem deren geringe<br />
Kosten von Bedeutung. In Afrika hat die Kostenfrage eine weit größere Brisanz als in<br />
Europa und es wird ethnoveterinärmedizinische Forschung betrieben, um günstige<br />
Alternativen zur kaum mehr leistbaren Veterinärmedizin aufzuzeigen (Njoroge 2006:332).<br />
Doch auch im Großen Walsertal klagen die Landwirte und Landwirtinnen über die hohen<br />
Kosten <strong>für</strong> veterinärmedizinischen Behandlungen und Medikamente.<br />
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