Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
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ewusst zu den Älteren an den Tisch gesetzt hat, um sie über ihre Kenntnisse zur<br />
Tiergesundheit ausfragen zu können.<br />
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„Früher hat man schon auf die Erfahrungen der Alten mehr heraus geholt,<br />
weil ein Junger wusste nichts. Und da denk i auch bei mir jetzt, es gibt viele<br />
Sachen wo jetzt die Jungen noch nachfragen (…) also was wir schon erlebt<br />
haben, aber die Jungen noch ned erleben konnten. Und das kann man dann<br />
weitergeben, eigentlich problemlos (…). Grad bei Krankheiten, da war man<br />
einfach froh, wenn man jemand fragen konnte der schon gewusst hat, um was<br />
es geht.“ (GP3)<br />
Manche Bäuerinnen und Bauern scheinen neben ihrem umfassenden Wissen auch ein<br />
Gespür <strong>für</strong> ihre Tiere zu haben. Wenn sie in den Stall kommen, merken sie sofort, dass<br />
etwas nicht in Ordnung ist und fangen mit der Suche nach der Ursache ihres Gefühls an.<br />
„Des überrascht mi manchmal selber, dass i des scho merk wenn i in Stall eini<br />
geh, dass irgendetwas ned stimmt, des merk i, des gspür i. Undi sieh des au, i<br />
sieh des sofort. Und dann is manchmal ganz schwer zu entscheiden. Ja,<br />
meistens probier i scho selber, bevor i an Tierarzt hol.“ (GP12)<br />
Der selbsterstellten Diagnose kann so eine schnelle Behandlung erfolgen. In folgendem<br />
Zitat wird auf einen Schnitt in einen Bluterguss verwiesen.<br />
„Wenn i in Stall komm - und wenn du d´ Küah kennscht, denn siahst du glei:<br />
Oha da hesch amal irgend - und denn langscht halt aa, oh da ischt irgendepas,<br />
denn denn hau i halt nei, oder.“ (GP21A)<br />
Die Beziehung zu den Tieren und ihre genaue Beobachtung werden von den Befragten<br />
öfters als besonders wichtig genannt. Sie sollen sich wohlfühlen und gerade nach<br />
traumatischen Erlebnissen, wie einem Gebärmuttervorfall, ist der „Kuhkomfort“<br />
entscheidend, „guat füttern und schö dua.“ (GP29A)<br />
5.1.6 Spezialistinnen und Spezialisten der Tierheilkunde<br />
Unter den Landwirtinnen und Landwirten gab und gibt es solche mit einem besonders<br />
reichen Erfahrungswissen im Bereich der Tiergesundheit, die auch anderen Menschen bei<br />
ihren Problemen geholfen haben. Es gibt keine einheitliche Bezeichnung <strong>für</strong> diese<br />
Spezialisten und Spezialistinnen. Folgende Namen sind die gängigsten Bezeichnungen:<br />
„Des isch a ganz a Guata zum Veh. (…) Des isch a Guata zum Kälbern/Aderlass. (…) Des<br />
is a halber Vehdoktr (…). Der is ma liaba als a Vehdoktr (…). Ein Bauer der vor allem <strong>für</strong><br />
die Tiere ein gutes Gefühl hatte.“ (GP3) „Der hat a guate Hand ghabt <strong>für</strong> sowas.“ (GP2)<br />
Anhand der Bezeichnungen kann man auch die Tätigkeitsbereiche ablesen, in welchen sie<br />
besonders aktiv waren: die Geburtshilfe, die Aufzucht der Kälber, Pferdekrankheiten, der<br />
Aderlass und das Gällna. „Früher hat sie des alls a bizle spezialisiert.“ (GP21A) Die<br />
spezialisierten Personen hatten eine besondere Begabung <strong>für</strong> den Umgang mit Tieren, so<br />
wie andere besonders gut heuen oder handwerken konnten. Außerdem haben sie sich<br />
eingehend mit dem Thema befasst und sich Informationen beschafft, zum Beispiel aus<br />
Büchern. Und auch sie haben von der älteren Generation, vor allem von den Eltern und<br />
Großeltern, gelernt. Nachdem sie einige Erfahrungen gesammelt hatten, haben sie dann<br />
selbst angefangen zu behandeln. Auffallend war, dass die Kinder und Enkel der<br />
Spezialisten und Spezialistinnen ein größeres Wissen zur Tiergesundheit aufwiesen, was in<br />
langen Freelists deutlich wurde und in der Nennung von Hausmitteln, die sonst nicht oder<br />
wenig genannt wurden.