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Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku

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Blähungen sind früher so stark aufgetreten, dass sie zum Tod führen konnten (5.3.2.10<br />

Pansenstich). Ab den 1960er Jahren wurden sie unter anderem mit Blähöl behandelt,<br />

welches Kümmel (Carva carvi) enthielt. Blähungen gibt es zwar immer noch, sie treten<br />

aber heute in geringerer Intensität auf. Es gab nach Angaben eines Gesprächspartners<br />

früher generell mehr Verdauungsstörungen. Lungenentzündung kam auch häufig vor,<br />

wurde jedoch durch den veränderten Stallbau zurück gedrängt (5.3.2.1 Haltung).<br />

Euterentzündungen traten früher auch auf, wenn es zu lange gedauert hat, mit der Hand zu<br />

melken und der Hormonausstoß der Kuh nicht lange genug angehalten hat. Die Räude ist<br />

eine durch Milben hervorgerufene Hautkrankheit, die mit extremem Juckreiz verbunden ist<br />

und heutzutage kaum mehr verbreitet ist. Eine ansteckende Hornhaut- beziehungsweise<br />

Augenbindehautentzündung wird Äugler oder Gamsäugler genannt. Sie kommt auch bei<br />

Schafen und Gämsen vor und war früher ohne Antibiotika schwer zu behandeln. Die<br />

Schwerkalbigkeit, die vor allem im Herbst das Abkalben erschwerte, ist heute nicht mehr<br />

so problematisch (5.3.2.8 Geburtshilfe).<br />

Tierkrankheiten, die heute mehr Bedeutung haben<br />

Die Rinder, die heute gehalten werden, werden allgemein als krankheitsanfälliger<br />

bezeichnet, im Vergleich zu den robusteren Rindern von früher. Immer wieder wurde von<br />

den Gesprächspartnern und Gesprächspartnerinnen auf den schlechteren<br />

Gesundheitszustand verwiesen, der aus einseitiger Züchtung resultiert. Es wird auf hohen<br />

Milchertrag abgezielt, mit dem Anstieg der Milchleistung nimmt jedoch die<br />

Lebenserwartung ab. Die erhöhten Leistungsanforderungen wirken sich auch negativ auf<br />

die Fruchtbarkeit aus und die Kühe bekommen im Durchschnitt weniger Kälber oder haben<br />

Probleme, trächtig zu werden, weshalb sie frühzeitig geschlachtet werden. „Früher hatten<br />

Kühe sieben, acht Kälba des war normal. Heut is da Durchschnitt glaub i bei eins Komma<br />

vier, is also sehr niedrig. Und des zeigt schon, dass da a Mordsbelastung da ist.“ (GP3)<br />

Bei hoher Milchleistung sind die Kühe ausgezehrt und vor allem nach dem Abkalben sehr<br />

schwach. Zu diesem Zeitpunkt tritt auch das Milchfieber auf, ein Calciummangel, der mit<br />

der beträchtlichen Ausscheidung von Calzium und Phosphat durch die einsetzende<br />

Laktation nach dem Abkalben zusammenhängt. „Das Milchfieber hat ma früher gar ned<br />

kennt.“ (GP19) Die Eutererkrankungen wie auch die Klauenerkrankungen haben nach<br />

Angaben der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner im Vergleich zu früher<br />

zugenommen.<br />

Die Formschönheit, die bei der Zucht außerdem verfolgt wird, geht auch manchmal mit<br />

positiver Gesundheit einher. Zum Beispiel ist ein eher kleines Euter mit kurzen Zitzen<br />

positiv, weil dann weniger Gefahr besteht, dass sich die Kuh verletzt. Gesunde, trockene,<br />

harte Klauen sind ein Fundament <strong>für</strong> ihre Gesundheit. Rinder mit X-Beinen sind nicht<br />

alpgeeignet, was im Großen Walsertal als negativ bewertet wird, da fast alle Tiere im<br />

Sommer auf die Alpen gebracht werden. Eine Gesprächspartnerin bezeichnet die<br />

Krankheiten, die es früher nicht gegeben hat, als „Wohlstandskrankheiten“. Dazu gehörten<br />

auch diverse Stoffwechselerkrankungen, allen voran die Acetonämie. Das Entwurmen der<br />

Kälber wird auch noch nicht so lange durchgeführt. Die Virusinfektion BVD (Bovine<br />

Virusdiarrhoe) ist einer Gesprächspartnerin erst seit zehn Jahren bekannt.<br />

5.1.3 Wandel der Veterinärmedizin und der Volksheilkunde<br />

Nach Angaben eines Landwirts haben früher alle Bewohner des Großen Walsertals etwas<br />

über Hausmittel <strong>für</strong> Menschen und Tiere gewusst. In den 1960er Jahren vollzog sich dann<br />

ein Wandel weg von den Hausmitteln, die dann nicht mehr „angesagt“ waren. In der<br />

Landwirtschaft ist auch der Zeitdruck sehr hoch geworden, was der Verwendung von<br />

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