Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8 Zusammenfassung<br />
Das lokale Erfahrungswissen über die Volksheilkunde bei Tieren ist einem<br />
kontinuierlichen Wandel ausgesetzt. Es ist immer in das Leben der Menschen eingebunden<br />
und unterliegt somit geschichtlichen und sozio-kulturellen Dynamiken. Forschungsleitend<br />
sind Fragen betreffend der Anwendung von Hausmitteln im weitesten Sinne, sowie<br />
bezüglich religiöser Praktiken und Bräuche, früher und heute, in der Forschungsregion<br />
Großes Walsertal/Vorarlberg. Es werden die folgenden Ziele verfolgt: Erstens, die<br />
Anwendung von Hausmitteln zur Gesunderhaltung und Heilung von Nutztieren zu<br />
beschreiben. Zweitens, den Wandel, den die Ethnoveterinärmedizin in den letzten 100<br />
Jahren durchlaufen hat, darzustellen. Drittens, die Einbettung des Themas in den soziokulturellen<br />
Kontext zu verstehen und viertens, die religiösen Praktiken und Bräuche in<br />
Verbindung zur Ethnoveterinärmedizin offenzulegen.<br />
Die vorliegende Arbeit ist Teil des Forschungsprojektes Monitoring Biocultural Diversity<br />
im Biosphärenpark Großes Walsertal/Vorarlberg. Es wird von der Österreichischen<br />
Akademie der Wissenschaften gefördert und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der<br />
Universität <strong>für</strong> Bodenkultur Wien bearbeitet. In einem dreimonatigen<br />
Feldforschungsaufenthalt von Oktober 2009 bis Januar 2010 wurden vor allem qualitative<br />
Daten erhoben. Semistrukturierte Interviews wurden mit 28 Bäuerinnen und Bauern, sowie<br />
zwei Tierärzten, durchgeführt und durch teilnehmende Beobachtungen ergänzt. Als<br />
quantitative Methode zur Erhebung qualitativer Daten wurden außerdem Freelists<br />
angefertigt, um die am häufigsten genannten pflanzlichen Hausmittel zu erheben. Diese 14<br />
Pflanzenarten wurden in einer zweiten Runde semistrukturierter Interviews vertiefend<br />
erforscht.<br />
Folgende Pflanzenarten sind von 25 Prozent (und mehr) der Gesprächspartnerinnen und<br />
Gesprächspartner als Hausmittel genannt worden (mit absteigender Häufigkeit): Rotwein,<br />
Kamille, Meisterwurz, Schnaps, Heublumen, Harz, Schwarztee, Ringelblume, Wermut,<br />
Kaffee, Lein, Arnika, Brombeere, Johanniskraut. Zu jedem der Hausmittel wurde ein<br />
Portrait erstellt, in dem die tatsächliche Praxis der Bäuerinnen und Bauern wiedergegeben<br />
wird. Zu jedem Hausmittel wird die Zubereitung, Anwendung, Wirkung und<br />
Anwendungsbereiche - bei welchen Krankheiten und Tierarten - dokumentiert. Die<br />
Aussagen, wann sie das letzte Mal verwendet wurden, geben Aufschluss über ihren<br />
tatsächlichen Gebrauch. Außerdem wird die Wichtigkeit jedes Hausmittels in der<br />
Einschätzung der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner wiedergegeben. „Die<br />
Heilpflanzen sind <strong>für</strong> mich eine Apotheke im eigenen Garten“ (GP7B), bringt eine<br />
Gesprächspartnerin die Anwendung von pflanzlichen Hausmitteln so treffend auf den<br />
Punkt.<br />
Die nicht-pflanzlichen Hausmittel sind in folgenden Kategorien zusammengefasst<br />
dargestellt: „Management“, „Mechanisch“, „Kombinationen“, „Tierisch“, „Mineralisch“,<br />
„Anwendungskomplex“, „Sonstige“ und „Geistiges“. In der Haltung und Fütterung sind<br />
Hausmittel aus fast allen Kategorien von Bedeutung, das Management macht jedoch den<br />
größten Anteil aus. Ansonsten wird aus jeder Kategorie zumindest ein Hausmittel<br />
exemplarisch vorgestellt: Das Schweinschmalz als tierisches Hausmittel; Brennsuppe,<br />
sowie Brot und Trank, als „Kombinationen“; Steinöl als mineralisches Hausmittel;<br />
Melkfett fällt in die Kategorie „Sonstige“ und das Gällna als ein gesamter<br />
„Anwendungskomplex“. Aus der Kategorie der mechanischen Hausmittel werden die<br />
131