Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
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der Tiere und der Zusammenhänge zwischen Fütterung, Haltung und Gesundheit. Sowohl<br />
in der Literatur als auch in den Interviews werden außerdem folgende Wissensquellen<br />
genannt: Bücher, Medien, und Austausch mit Bekannten (Grasser 2006:73). Manche<br />
Wissensbereiche werden jedoch auch geheim gehalten oder sind nicht übertragbar, und<br />
gehen mit dem Tod der Bewahrenden dieses Wissens unwiederbringlich verloren (Grabner<br />
1988:432) - vergleichbar mit dem Hinscheiden der letzten Praktizierenden einer alten<br />
Kunst oder der letzten Sprecher und Sprecherinnen einer alten Sprache.<br />
Aus dem beschriebenen Fall eines Geschwisterpaars im Großen Walsertal geht hervor,<br />
dass verschiedene Wissensbereiche auf die Nachkommen aufgeteilt werden können. Der<br />
Sohn lernt vom Vater eher mechanische Hausmittel, den Umgang mit Werkzeugen und<br />
erbt auch die Werkzeuge. Die Tochter lernt von ihm alles über Heilpflanzen und deren<br />
Verarbeitung zu Hausmitteln (5.1.5 Erwerb und Weitergabe von lokalem<br />
Erfahrungswissen). Ob diese Aufteilung geschlechterspezifisch ist, kann nur hypothetisch<br />
behauptet werden. Außerdem konnte in dieser und anderen Familien folgendes beobachtet<br />
werden: Wenn ein Familienmitglied große Kenntnisse über einen bestimmten Bereich der<br />
Volksheilkunde hat, wenden sich die anderen Mitglieder mit Fragen an diesen Person und<br />
übernehmen Wissen, versuchen jedoch nicht, ebenso viel zu wissen und das „Monopol“<br />
anzufechten.<br />
Ein von einem Bauern nur am Rande erwähnter Aspekt des Wissenserwerbs ist der<br />
berufsbezogene „Einblick in die Beschaffenheit des gesunden und kranken Körpers (…),<br />
wie es zum Beispiel bei der Hebamme (…) der Fall war“ (Grabner 1988:432). Auch<br />
Landwirte und Landwirtinnen, die ihren Nutztieren im Geburtsprozess beistehen oder<br />
selbst schlachten, haben diese Einblicke. Und es gibt eine weitere Parallele zwischen den<br />
Hebammen und Ärzten, die früher am Land praktiziert haben, und den „Bauerndoktoren“<br />
beziehungsweise den ersten Tierärzten. Sie sind im Notfall gerufen worden, doch bis sie zu<br />
Fuß, oder später mit dem Pferdewagen, angekommen sind, ist auf Grund der weiten Wege<br />
oft schon zu viel Zeit vergangen und sie kamen zu spät an. Darum haben die Landwirte<br />
und Landwirtinnen ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und sich selbst geholfen<br />
(Grasser 2006:34).<br />
6.2 Pflanzliche Hausmittel<br />
Pflanzliche Heilmittel nehmen in der volkstümlichen Heilkunde einen besonders hohen<br />
Stellenwert ein (Grabner 1988:435). Auch in diesem Forschungsprojekt sind die<br />
pflanzlichen Hausmittel die größte Gruppe der erhobenen Hausmittel. Viele<br />
Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner sind der Meinung, dass die Heilpflanzen<br />
umso kräftiger wirken je höher man sie sammelt, was sich mit den Aussagen aus dem<br />
Forschungsprojekt in Osttirol deckt (Grasser 2006:44). Die Volksheilkunde bei Tieren und<br />
Menschen ist vor allem in Hinsicht auf pflanzliche Hausmittel sehr ähnlich.<br />
Die 14 am häufigsten genannten pflanzlichen Hausmittel<br />
Insgesamt wurden 45 verschiedene Pflanzenarten (inklusive Sammelbegriffe) erhoben. Die<br />
14 am häufigsten genannten pflanzlichen Hausmittel wurden von 25 und mehr Prozent der<br />
16 Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen genannt. Die folgenden Pflanzenarten<br />
wiesen in der Freelist-Auswertung die höchste Häufigkeit und Smith´s Salience auf (mit<br />
absteigender Häufigkeit): Rotwein, Kamille, Meisterwurz, Schnaps, Heublumen, Harz,<br />
Schwarztee, Ringelblume, Wermut, Kaffee, Lein, Arnika, Brombeere, Johanniskraut (5.2.1<br />
Die am häufigsten genannten pflanzlichen Hausmittel). Auch aus der Literatur geht hervor,<br />
dass besonders der Meisterwurz, aber auch Heublumen und Arnika in Vorarlberg hoch<br />
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