Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku
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„Der hat des vom Vater glernt, oder, daheim glernt. Da hats gheißen, du jetzt<br />
kannst selber probiera und mach des, oder. Und erst duast immer beim eigna<br />
Tier probiera oder, a fremda Tier is halt immer a biz beschissen, oder. Bist<br />
amal die Erfahrung hast, oder (…) jedes Mal isch anders, oder.“ (GP21A)<br />
Ein Gesprächspartner gibt an, dass er den Aderlass mindestens zwei jungen Landwirten<br />
gezeigt hat, die ihn danach gefragt haben, und die dann selbst angefangen haben auch bei<br />
anderen auszuhelfen. Wenn ihn heute jemand fragt, schickt er die Bittsteller meistens an<br />
diese beiden weiter, wodurch auch die Interviews mit den beiden Landwirten zustande<br />
gekommen sind.<br />
Die Spezialistinnen und Spezialisten konnten aufgrund ihres umfassenden<br />
Erfahrungswissens die Lage einschätzen, Diagnosen erstellen, Krankheiten behandeln und<br />
Zusammenhänge genau erklären. Außerdem hatten sie auch bestimmte Heilpflanzen,<br />
Werkzeuge und manuelle Fähigkeiten. Erst wenn auch die Spezialisten und Spezialistinnen<br />
nicht mehr weiter wussten, hat man sich veterinärmedizische Hilfe gesucht. Aber sie haben<br />
ausgeholfen, wo es nur ging und konnten zu jeder Zeit geholt werden. Es gab in jeder<br />
Ortschaft zumindest einen Spezialisten oder eine Spezialistin, der auch ein gewisses<br />
Ansehen genossen hat. „Sind eigendle imma angesehene Leute gse in dr Gmei, die hätt ma<br />
echt fräge könne.“ (GP25) Obwohl früher oft extrem steile Wege zu Fuß zurückgelegt<br />
werden mussten, ist ein besonders bekannter Spezialist dennoch von Seewald bis nach<br />
Blons gegangen, was auf den heutigen Straßen einem Weg von mindestens neun Kilometer<br />
entspricht, mit einigem Höhenunterschied. Ein anderer Walser Spezialist wurde wegen<br />
seiner besonderen Kenntnisse bis in den Bregenzerwald geholt. Vergolten wurden ihre<br />
Dienste, die auch unter Nachbarschaftshilfe fielen, indem man seinerseits bei anfallenden<br />
Arbeiten geholfen hatte. Bezahlt wurden höchstens „ein paar Schillinge“, weshalb man<br />
sich keine Gedanken über die Bezahlung machen musste. „Bargeld hätt ma da nia<br />
bruucht. Des is o einfach selbstverständlich gse.“ (GP25) Verdient haben die<br />
Spezialistinnen und Spezialisten mit ihrer Arbeit nichts. Ein Gesprächspartner der jüngeren<br />
Generation erzählt, dass er sich 50 bis 100 Schilling <strong>für</strong> einen Aderlass geben ließ, um<br />
das, was er <strong>für</strong> den Fliadr und die Kette (Abbildung 63) ausgegeben hat, wieder herein zu<br />
holen. Als die Werkzeuge abbezahlt waren, ließ er sich als Gegenleistung auch mal nach<br />
der Messe auf ein oder zwei Biere einladen.<br />
Es wird von einem Spezialisten erzählt, der besonders viel Wert auf Vorbeugung gelegt<br />
hat, und zum Beispiel immer die Kälbereimer überprüft hat. Diese waren früher noch aus<br />
Holz und wenn sie nicht mit kochendem Wasser - welches nur in der Küche zur Verfügung<br />
stand - ausgeschrubbt wurden, haben sich Bakterien 10 festgesetzt, die falsche Säure<br />
genannt wurden und Durchfall hervorriefen. Außerdem betonte er die Wichtigkeit, dass<br />
man den Kälbern nur körperwarme Milch gibt und gegebenenfalls ihre Verdauung<br />
unterstützt, indem man die Milch mit einem Schuss Rotwein oder Ähnlichem „bricht“<br />
(5.2.1.1 Rotwein). Zusammenhänge, die heute schon allgemein bekannt zu sein scheinen,<br />
haben die frühen Spezialistinnen und Spezialisten durch langjährige Erfahrung erforscht<br />
und aufgedeckt. Nach Angaben eines Gesprächspartners hatten sie eine sehr gute<br />
Beobachtungsgabe und haben auch manchmal in langen, intensiven Kontakt mit den<br />
Tieren auf der Alpe gelebt. Ihr Wissen umfasste auch oft ein breites Allgemeinwissen und<br />
besondere Heilpflanzenkenntnisse. Manche Anwendungen wurden auch von einem<br />
Spezialisten beziehungsweise einer Spezialistin eingeleitet und mussten dann täglich vom<br />
betroffenen Bauern oder von der Bäuerin durchgeführt werden, zum Beispiel die<br />
Benutzung einer Milchnadel (Abbildung 9), wenn die Milch nicht abfließen konnte.<br />
10 Milchsäurebakterien und Streptokokken<br />
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