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Martina Grabowski - Institut für ökologischen Landbau - Boku

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Hausmitteln gearbeitet wird, empfiehlt er diese auch. Er hat eine positive Einstellung zu<br />

den Hausmitteln, weil die Landwirtinnen und Landwirte ihn erstens sowieso genug<br />

brauchen, weil er zweitens eingesteht, dass auch die Veterinärmedizin ihre Grenzen hat<br />

und er drittens von einigen pflanzlichen Hausmitteln aufrichtig überzeugt ist. Und auch<br />

wenn er nicht an die Wirksamkeit der Hausmittel glaubt, fühlt er sich in erfolglosen Fällen,<br />

in denen er alles versucht hat, durch die Eigeninitiative der Landwirte und Landwirtinnen<br />

sogar entlastet. Auch der zweite interviewte Tierarzt empfiehlt Hausmittel, vor allem<br />

Schnaps und Rotwein mit Muskatnuss (Myristica fragrans) gemischt. Er und sein Kollege<br />

haben auch schon das ein oder andere Hausmittel von den Bäuerinnen und Bauern<br />

übernommen.<br />

„Ja i ha des zum Teil vo die alten Bauern übernommen - den Erfolg gsehen<br />

und auch ich lerne was.“ (GP2)<br />

Früher war der oben zitierter Tierarzt zwar nicht begeistert darüber, wenn ein Landwirt<br />

seine Kühe gällnert (5.3.2.13 Gällna), aber mittlerweile nimmt er es hin, auch wenn dieser<br />

Landwirt zu anderen Bauern und Bäuerinnen geht, um ihnen zu helfen.<br />

„Die heutigen Ärzt - jetztat sagt er eigentlich eh nix mehr - aber früher, wenn i<br />

gsagt hab: du i ha sie gällnat, jetzt is perfekt. Des mögen die Döktr eigentli ned<br />

a so, oder, isch klar, Pfuscher oder (…). Er sagt au nix, wenn i gang.“<br />

(GP21A)<br />

Dieser Landwirt braucht nur sehr selten einen Veterinärmediziner beziehungsweise eine<br />

Veterinärmedizinerin, und wenn doch, so ruft er oft einen an, der schon außer Dienst ist<br />

und viel Zeit hat. Mehrere Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen berichten, dass<br />

man früher kaum veterinärmedizinische Hilfe brauchte, und der Hauptgrund, wenn man<br />

doch eine Tierärztin oder einen Tierarzt zu Rate zog, war der, dass eine Kuh nicht trächtig<br />

wurde. Eine Bäuerin erzählt, dass sie an ihrem Hof erst seit circa zehn oder 15 Jahren<br />

routinemäßig einen Tierarzt zu Rate ziehen.<br />

5.1.4 Gründe <strong>für</strong> und wider die Anwendung von Hausmitteln bei<br />

Tieren<br />

Hausmittel werden aus verschiedenen Gründen angewendet - oder sie werden nicht<br />

herangezogen, selbst wenn oft Wissen über die Anwendungsbereiche vorhanden ist.<br />

Auswirkungen der infrastrukturellen Gegebenheiten, wirtschaftliche Entwicklungen,<br />

gesellschaftlichen Konventionen und persönliche Hintergründe wirken zusammen.<br />

Gründe, die <strong>für</strong> die Anwendung von Hausmitteln sprechen<br />

Die Gründe <strong>für</strong> die Verwendung von Hausmitteln waren früher teilweise andere als heute.<br />

Bevor es veterinärmedizinische Versorgung im Großen Walsertal gab, waren die<br />

Hausmittel die einzig verfügbaren Mittel. Und das, was man hatte, hat man auch<br />

verwendet, zum Beispiel den Vorlauf von der Schnapserzeugung. Ab der Zeit, als dann der<br />

erste Tierarzt verfügbar war, wurde abgewägt, ob es nötig ist, ihn zu holen, denn jeder<br />

Besuch bedeutete einen Aufwand an Zeit und Geld. Beide Faktoren sind auch heute noch<br />

von großer Bedeutung. Bevor der Tierarzt motorisiert auf geteerten Straßen zu den Höfen<br />

kommen konnte, mussten die meisten Wege zu Fuß zurück gelegt werden. Und bevor es<br />

das Telefon gab, musste auch noch der Hinweg dazugerechnet werden, um dem Tierarzt<br />

Bescheid zu sagen. Vor allem auf abgelegenen Höfen und Alpen handelte man lieber<br />

schnell selbst, als darauf zu hoffen, dass er rechtzeitig geholt werden könnte.<br />

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