25.12.2013 Aufrufe

Literaturgeschichte 750-1500

Literaturgeschichte 750-1500

Literaturgeschichte 750-1500

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

108<br />

noch mir ze keinen zîten<br />

und dass bei mir niemals,<br />

weder z’ arme noch ze sîten<br />

weder am Arm noch zur Seite,<br />

ân iuch nie lebende man gelac<br />

ein lebendiger Mann außer Euch lag,<br />

wan der, vür den ich niht enmac<br />

ausgenommen der, für den ich<br />

gebieten eit noch lougen,<br />

weder einen Eid bieten noch ihn ableugnen kann,<br />

den ir mit iuwern ougen<br />

den Ihr mit eigenen Augen<br />

mir sâhet in dem arme,<br />

in meinem Arm gesehen habt,<br />

der wallære der arme:<br />

der arme Pilger.<br />

so gehelfe mir mîn trehtîn<br />

So helfe mir Gott<br />

und al die heiligen, die der sîn,<br />

und alle Heiligen, die es gibt,<br />

ze sælden und ze heile<br />

zu Glück und Heil<br />

an disem urteile!<br />

bei diesem Urteil!<br />

Hân ich es niht genuoc geseit,<br />

Wenn ich nicht genug gesagt habe,<br />

hêrre, ich bezzer iu den eit,<br />

mein Herr, so korrigiere ich den Eid.<br />

als ir mir saget, sus oder sô.“<br />

wie immer Ihr es mir sagt.“<br />

„Frouwe“, sprach der künec dô<br />

„Gemahlin“, antwortete der König,<br />

„es dunket mich genuoc hier an,<br />

„damit dünkt es mich genug,<br />

alse ich mich’s versinnen kan.<br />

soweit ich es mir denken kann.<br />

Nu nemet daz îsen ûf die hant:<br />

Nun nehmt das Eisen auf Hand;<br />

und alse ir uns habt vor genant,<br />

und wie Ihr es uns zuvor gesagt habt,<br />

als helfe iu got ze dirre nôt!“<br />

so möge Euch Gott in dieser Not helfen.“<br />

„Amen!“ sprach diu schœne Îsôt.<br />

„Amen!“ sprach die schöne Isolde.<br />

In gotes namen greif si’z an<br />

Im Namen Gottes griff sie es an<br />

und truog ez, daz sie niht verbran.<br />

und trug es, ohne sich zu verbrennen.<br />

Dâ wart wol goffenbæret<br />

Da wurde offenbar<br />

und al der werlt bewæret<br />

und vor aller Welt bewahrheitet,<br />

daz der vil tugenthafte Krist<br />

dass der so tugendhafte Christus<br />

wintschaffen als ein ermel ist:<br />

sich nach dem Wind richtet wie ein Windsack.<br />

er füeget unde suochet an,<br />

Er schmiegt sich an jeden an,<br />

dâ man’z an in gesuochen kan,<br />

der sich darauf versteht, ihn um etwas zu bitten,<br />

alsô gefüege und alse wol,<br />

und zwar so schicklich,<br />

als er von allem rehte sol.<br />

wie es sich für ihn mit Recht gehört.<br />

Er’st allen herzen bereit,<br />

Er ist allen Herzen geneigt,<br />

ze durnähte und ze trügeheit.<br />

zur Treue wie zum Betrug.<br />

Ist ez ernest, ist ez spil,<br />

Sei es Ernst, sei es Spiel,<br />

er ist ie, swie sô man wil.<br />

er ist immer so, wie man ihn haben will.<br />

Daz wart wol offenbâre schin<br />

Das wurde an der artigen Königin<br />

an der gefüegen künigîn:<br />

offenbar:<br />

die generte ir trügeheit<br />

die rettete ihr Betrug<br />

und ir gelüppeter eit,<br />

und ihr vergifteter Eid,<br />

der hin ze gote gelâzen was,<br />

der vor Gott vorgelassen wurde [von Gott erhört wurde],<br />

daz si an ir êren genas,<br />

so dass ihre Ehre gerettet wurde.<br />

und wart aber dô starke<br />

Und sie wurde wiederum von Marke, ihrem<br />

von ir hêrren Marke<br />

Herrn,<br />

geminnet unde geêret,<br />

geliebt und geehrt<br />

geprîset unde gehêret<br />

und gepriesen und verehrt<br />

von liute unde von lande.<br />

von Land und Leuten.<br />

Doch alle Listen helfen auf Dauer nichts. Die Liebenden verraten sich schon allein durch ihre freundlichen Blicke,und<br />

es ist Marke unerträglich, dass seine Gattin seinen Neffen liebevoller ansieht als ihn selbst, wenn er ihr<br />

auch den Ehebruch nicht nachweisen kam. Also verbannt er die beiden vom Hofe. Doch die beiden führen kein<br />

entbehrungsreiches Waldleben wie bei Eilhart: Tristan und Isolde leben in der Minnegrotte, und auch Kurwenal<br />

senden sie fort, der ihnen nur alle 20 Tage Nachricht bringen soll. Der tiefen Erniedrigung in anderen Tristan-Fassungen<br />

entspricht hier die höchste Erhöhung. Und gerade das ist es, was nur die Gemeinde der wahrhaft Liebenden<br />

versteht: dass die Gunst der Gesellschaft und das Hofleben den edelen herzen nichts bedeutet gegenüber dem<br />

Alleinsein mit dem Geliebten. (16692ff.)<br />

Daz selbe hol was wîlen ê<br />

Ebendiese Höhle war einst<br />

under der heideneschen ê<br />

in der Heidenzeit,<br />

vor Corinêis jâren,<br />

vor der Zeit des Corinaeus,<br />

dô rîsen dâ hêrren wâren,<br />

als in Cornwall Riesen herrschten,<br />

gehouwen in den wilden berc. in das wilde Gebirge gehauen worden. 102<br />

Dar inne hætens ir geberc,<br />

Darin verbargen sie sich,<br />

so si ir heinlîche wolten hân<br />

wenn sie verborgen sein<br />

und mit minnen umbe gân.<br />

und die Liebe ausüben wollten.<br />

Und swâ der einez funden wart,<br />

Und wo immer auch eine solche Höhle war,<br />

102 Nach der Historia Regum Britanniae des Geoffrey of Monmouth (1135) war Britannien nur von Riesen bewohnt, bis Corineus,<br />

ein Nachfahre des Trojaners Äneas, es besiedelte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!