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Literaturgeschichte 750-1500

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44<br />

daz hât allez rôten rôsen ungelîchen schîn;<br />

alse ist ungelîch<br />

mîn und Amelunges swære.<br />

Mînes ungelingen freut er sich und Uodelrîch:<br />

der ist mînes schaden z allen zîten flîzic und gevære,<br />

er und Eberolt, ein ungestüemer wüeterîch.<br />

O weh, dass uns diesen Sommer Blumen und Klee und viele Wonnen vergangen sind! Der Feind unserer Freuden bringt Reif<br />

und Schnee. Das glänzt alles anders als rote Rosen; ebenso ungleich sind meine und Amelungs Sorgen. Er und Ulrich freuen<br />

sich darüber, dass ich kein Glück hatte. Der sinnt immer auf meinen Schaden, er und Eberwald, ein ungestümer Wüterich.<br />

Eberolt und Amelunc,<br />

Uodelrîch und Undelhart<br />

haben wider mich gebrüevet eine sicherheit.<br />

Manic œdeclîcher sprunc<br />

von in dâ gesprungen wart,<br />

dô si sich des ruomten, si getæten mir ein leit.<br />

Stille und offenbâr<br />

habent si den ruom bewæret;<br />

ich gewünsche in nimmer, daz ir keiner wol gevar.<br />

Under disen vieren hât mir einer mînen muot beswæret,<br />

daz er nie sô trüebe wart von iu, her Engelmâr.<br />

Eberwald und Amelung, Ulrich und Wendelhard haben sich gegen mich eidlich verbündet. Viele dummdreiste Freudensprünge<br />

sprangen sie, als sie sich rühmten, sie würden mir ein Leid antun. Im Heimlichen wie auch offen haben sie diese Prahlerei wahr<br />

gemacht; ich wünsche ihnen alles Böse. Unter diesen Vieren hat mich einer besonders betrübt, wie nicht einmal Ihr, Herr Engelmar,<br />

mich betrübt habt. 28<br />

Wesse ich, wem ich solde klagen<br />

mînen grôzen ungemach,<br />

den ich von in lîde und lange her geliten hân!<br />

Swaz mir noch bî mînen tagen<br />

leides ie von in geschach,<br />

dêst ein wint, wan daz mir nû der eine hât getân.<br />

Owê, daz ich sol<br />

nû mîn selbes laster rüegen!<br />

Mîner ougen wünne greif er an den füdenol.<br />

Tumber gouch, des mehte joch den keiser Friderîch genüegen.<br />

Hœner schimpf gevellet nimmer guoten liuten wol.<br />

laster ‚Schande‘; rüegen ‚rügen, etwas öffentlich tadeln‘; hœne ‚voll Hohn‘.<br />

Wüsste ich, wem ich mein großes Leid klagen soll, das ich von ihnen allzeit erleide! Was mir sonst noch mein Leben lang von<br />

ihnen widerfahren ist, das ist nichts gegen das, was mir der eine jetzt angetan hat. O weh, dass ich selbst meine eigene Schande<br />

ausposaunen soll! Der Wonne meiner Augen (= meiner Herzallerliebsten) griff er an die Scham. Dummer Geck, das wäre<br />

reichlich für den Kaiser Friedrich! 29 Bösartiger Spott gefällt guten Leuten nie.<br />

Mîne friunt, nu gêt her dan,<br />

gebt mir iuwern wîsen rât,<br />

wiech mit disen dingen müge ze mînen êren komen!<br />

Aller triuwen ich iuch man,<br />

daz ir mir nu bî gestât.<br />

Mîne weidegenge und al mîn freude ist mir benomen.<br />

Ich bin unverzaget<br />

beide an lîbe und ouch an muote.<br />

Der in durch den willen mîn sîn dienest widersaget,<br />

dem gestüende ich immer, triuwen, bî mit lîbe und ouch mit guote<br />

al die wîle und mir der stegereif ze hove waget.<br />

Meine Freunde, nun kommt her, gebt mir euern weisen Rat, wie ich in dieser Angelegenheit zu Ehren kommen könnte! Ich<br />

mahne euch an all unsere Treuebeziehungen, dass ihr mir nun beistehen möget. Meine Pirschgänge und alle Freude sind mir<br />

genommen. Ich gebe aber nicht auf und bin unverzagt. Wer ihnen um meinetwillen den Dienst aufkündigt, dem würde ich mich<br />

für immer mit Leib und Besitz eidlich verbünden, solange mein Steigbügel zum Hof wackelt (= ‚solange ich Ritter am Herzogshof<br />

bin‘ 30 ).<br />

28 Engelmar ist der Gegner Neidhards schlechthin; das Publikum kennt ihn: er hat Friderûn, der ‚Dame‘ des Sängers, den Spiegel<br />

zerbrochen.<br />

29 Walther machte in einem Lied den Scherz, dass er auf den Kaiser eifersüchtig würde, falls dieser Walthers Geliebter ein<br />

Ständchen darbrächte. Neidhard parodiert hier Walther.<br />

30 Hier zitiert Neidhart Wolfram, der seinen Stolz ‚ich bin Ritter‘ mit ‚mein Steigbügel wackelt an den Hof‘ umschreibt.

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