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Literaturgeschichte 750-1500

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Ob die deutsche oder die lat. Fassung dieses Liedchens ursprünglich ist, wissen wir nicht. Ein fahrender Student<br />

könnte es aus dem Deutschen ins Mittellateinische gebracht haben oder umgekehrt, oder, ein hübscher Einfall von<br />

Peter DRONKE, derselbe könnte das Liedchen zugleich auf Deutsch und Latein verfaßt haben. Zweisprachige<br />

Lyrik hat es schon früher in Spanien gegeben, und zwar eine Kombination von arabischen Versen und spanischem<br />

Refrain, die sogenannten jarchas.<br />

Sicher ist es ein Tanzliedchen; kirchliche Verbote von cantica amatoria, puellarum cantica, die der chorus<br />

mulierum zum Tanze singt, und die als obscoena oder diabolica bezeichnet werden, sind in verschiedenen Ländern<br />

schon vom 6. - 9. Jh. belegt. Leider haben sich nur die Verbote erhalten, nicht die Liedchen, die dem obigen ähnlich<br />

gewesen sein könnten.<br />

Das folgende bringt man mit einem Reihentanz in Verbindung, bei dem die Mädchen zuerst allein im Kreis<br />

gehen, und während das Lied gesungen wird, eine nach der anderen einen Partner erhalten; ähnlich manchen noch<br />

heute lebenden Volkstänzen:<br />

Swaz hie gât umbe Was hier (im Kreis) herumgeht,<br />

daz sint allez megede, das sind alles Mädchen,<br />

die wellent âne man die diesen ganzen Sommer<br />

allen disen sumer gân. ohne (âne) Mann gehen (gân) wollen.<br />

Den Natureingang kann man in verschiedener Form variieren:<br />

a) Der Frühling ist da und mein Geliebter/meine Geliebte auch.<br />

b) Der Frühling ist da, nur ich freue mich nicht, weil er/sie nicht kommt<br />

c) Der Frühling ist da, doch der Baum (unter dem ich mich mit ihm zu treffen pflegte) belaubt sich nicht –<br />

Symbol für das Verlassensein<br />

d) Der Winter ist gekommen, die Vöglein sind traurig, weil Schnee liegt, und ich bin traurig, weil er/sie mich<br />

verlassen hat<br />

e) Der Frühling ist vorbei, vielleicht ist es schon Winter, aber ich bin trotzdem froh, weil er/sie mich liebt.<br />

f) Was ist schöner, der Mai oder die Liebe? Antwort (Walther 45,37):<br />

Hêr Meie, ir müeset merze sîn, Herr Mai, Ihr müßtet zum März werden (M. sein),<br />

ê ich mîn vrouwen dâ verlür ehe ich da (bei dieser Wette) meine Dame verlöre.<br />

DER KÜRENBERGER<br />

23<br />

Der Kürenberger ist der älteste namentlich bekannte deutsche Dichter. Wenigstens ist die Ansicht, kürenberges<br />

wîse in dem zu besprechenden Lied stellt eine Selbstnennung des Dichters dar, wahrscheinlicher als die andere,<br />

daß nur eine bekannte Melodie benannt werden soll. Der Kürenberg ist jedenfalls, gleich ob Heimat des Dichters<br />

oder der Melodie, der ‚Kürnberger Wald‘ bei Linz 9 ). Auch hier ist der Prozentsatz an Strophen, die einer Frau in<br />

den Mund gelegt sind, sehr groß. So sind von den 15 Strophen des Kürenbergers 8 Frauenstrophen (einige davon<br />

hat man allerdings auch versucht, als Männerstrophen zu deuten), in einer wechseln Mann und Frau ab (daher auch<br />

9 Gotisch quairnus ‚Mühle’. Orte namens ‚Mühlenberg’ gibt es mehrere, aber die sprachliche und literarische Umgebung (Dietmar<br />

von Aist, nördlich Linz, benutzte ähnliche Motive und Strophenformen) zeigt: diese Dichtungen gehören ins Donauland.

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