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Literaturgeschichte 750-1500

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MITTELHOCHDEUTSCHE EPIK<br />

DAS 12. JAHRHUNDERT<br />

Aufgabe 1: Exzerpieren Sie aus dem Verfasserlexikon die wichtigsten Fakten zu: Alexanderlied des Pfaffen<br />

Lamprecht, Rolandslied des Pfaffen Konrad.<br />

Aufgabe 2: Wir besprechen hier nur Veldekes Äneasroman. Was hat er sonst noch geschrieben?<br />

HEINRICH VON VELDEKE<br />

Heinrich von Veldeke, Eneide<br />

Bald nach der Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden in Frankreich mehrere Romane nach antiken Stoffen; ein<br />

Trojanerkrieg, ein Thebanischer Krieg, und ein Äneasroman. Noch etwas älter ist ein Roman über Alexander<br />

den Großen. Die absolute wie die relative Datierung der drei erstgenannten Werke ist umstritten. Der Äneasroman,<br />

der uns im Folgenden interessiert, wird von vielen um 1160 datiert, ein stichhaltiger Beweis dafür kann jedoch<br />

nicht geliefert werden. Gegen 1175 begann Heinrich von Veldeke, ihn ins Deutsche zu übersetzen. Seine<br />

Heimat ist die Gegend von Maastricht; eine Gönnerin war eine Herzogin von Cleve (heute an der deutsch-niederländischen<br />

Grenze). Damit ist das geographische und sprachliche Umfeld zu der Zeit, als er das Werk begann<br />

und einen Großteil desselben niederschrieb, gegeben. An den Reimen des Werkes erkennen wir deutlich die niederrheinische<br />

Mundart. Über interessante Einzelheiten der Entstehung berichtet ein Teil des Epilogs, der allerdings<br />

sicher nicht zum Werk dazugehört, aber wohl von einem Zeitgenossen stammt und allgemein für historisch<br />

wahr gehalten wird:<br />

Er hatte schon ziemlich lange und den größeren Teil gedichtet und ins Deutsche gebracht, bis dorthin, wo der Herr Eneas den<br />

Brief von Frau Lavinia zu Ende las, und wollte es fertigstellen. Das unterblieb aus einer bestimmten Ursache, er unterließ es aus<br />

Zorn: er hatte das Büchlein verloren. Er überließ es einer Dame zum Lesen und zum Anschauen, bevor man es rein schriebe;<br />

das war die Gräfin von Kleve, die milde, gute freimütige und freigebige. Sie lebte tugendhaft, wie es Damen ziemte. Als der<br />

Landgraf sie heiratete, wurde das Buch in Kleve einer Dame gestohlen, der es anvertraut war. Darüber wurde die Gräfin dem<br />

Grafen Heinrich (von Schwarzburg) gram, der es gestohlen hatte und es nach Thüringen nach Hause sandte. Dort wurde die<br />

Geschichte anders geschrieben, als wenn sie bei ihm geblieben wäre, das kann man für wahr sagen. Dann blieb das Buch Meister<br />

Heinrich neun Jahre entwendet, ohne dass er es erreichen konnte, bis er nach Thüringen kam, wo er den Pfalzgrafen von<br />

Sachsen antraf, der ihm das Buch überließ und ihm befahl, es zu vollenden. Wenn er ihn nicht darum gebeten und es ihm angeraten<br />

hätte, hätte er es nicht vollendet. Er musste es auch auf Wunsch des Sohnes von Landgraf Ludwig tun. Er begann die<br />

Vollendung für den Pfalzgrafen Hermann von der Neuenburg an der Unstrut, denn der hielt die Erzählung für gut und die<br />

Dichtung für meisterhaft. Da schrieb Heinrich es fertig auf sein Gebot und seine Bitte. Denn er leistete ihm jeden erdenklichen<br />

Dienst, und er vergönnte es ihm, seit er ihn kennengelernt hatte. Das war der Pfalzgraf Hermann, der leibliche Bruder von Landgraf<br />

Ludwig, und der Graf Friedrich, dem Heinrich gerne diente.<br />

Diese stilistisch mangelhaften Verse sind für uns leicht zu deuten. Der Landgraf, der eine Gräfin von Kleve<br />

heiratete, war Ludwig III. der Milde, Landgraf von Thüringen; der Pfalzgraf Hermann von Sachsen ist derselbe,<br />

der 1190 Landgraf von Thüringen wurde, und den Sie daher unter seinem späteren Namen Landgraf Hermann<br />

von Thüringen kennen. An dessen sächsischem Hof in Neuenburg an der Unstrut (also nicht nach 1190 am thüringischen<br />

in Eisenach) hat Heinrich das Gedicht vollendet. Da der Verfasser dieses Epilogteils ihn nur als Pfalzgrafen<br />

kennt, muss er den Einschub in den Epilog schon vor 1190 verfasst haben. Knapp vor Schluss nennt Heinrich<br />

das Hochzeitsfest von Eneas mit Lavine (mit dem die eigentliche Erzählung schließt) als das schönste Fest<br />

aller Zeiten, mit Ausnahme des Mainzer Hoffestes von Kaiser Friedrich, auf dem er zwei Söhne zu Rittern schlug<br />

(1184). Die Verse über das Mainzer Fest sind deutlich als Einschub in die Erzählung zu erkennen, aber dem Stil<br />

nach von Heinrich selbst und nicht vom Bearbeiter.<br />

Damit ist der zeitliche und sprachliche Rahmen der Entstehung abgesteckt. Heinrichs Heimatdialekt hat man<br />

allerdings in Thüringen sicher nicht verstanden. Die Sprache der erhaltenen Handschriften spiegelt offensichtlich<br />

eine Bearbeitung, die das Werk mit oder gegen Heinrichs Willen, mit oder ohne seine Mithilfe (es gibt da die verschiedensten<br />

Ansichten) für sein neues Publikum erhalten hat. In den Reimen findet sich jedoch kein einziges<br />

Reimpaar, das nur im Hochdeutschen möglich ist. Man hat Heinrichs Text so weit respektiert, dass man nicht in<br />

die Reime eingegriffen hat; doch hat vielleicht schon der Schreiber, dem er selbst diktierte, teilweise in hochdeutscher<br />

Lautung niedergeschrieben, was er niederrheinisch gehört hat. Die Ansichten darüber divergieren stark. Von<br />

den drei Ausgaben des Werkes (ETTMÜLLER, 1852; BEHAGHEL, 1882; SCHIEB-FRINGS 1965) steht die älteste der<br />

ältesten Hs. am nächsten; die neueren Ausgg. beruhen auf mehr oder weniger anfechtbaren Editionsprinzipien.<br />

SCHIEB-FRINGS versuchen, das Werk in Heinrichs Muttersprache zu rekonstruieren; ein sehr bedenkliches Unterfangen.<br />

Ich zitiere daher die Ausgabe von ETTMÜLLER, die zwar veraltet ist, aber dem Text, den Heinrichs Publikum<br />

las (die ‚Originalfassung‘ hat ja außer der Gräfin von Cleve und ihren Vertrauten niemand rezipiert), wohl<br />

recht nahe kommt.<br />

Nun zum Werk selbst und zum Verhältnis zu seinen Vorlagen: Vergils Aeneis zählt knapp 10.000 Verse, Heinrichs<br />

Eneide über 13.000. Damit ist sie immer noch kürzer als das lateinische Epos, da die schwach gefüllten Vier-

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