Literaturgeschichte 750-1500
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valsch’ unde gewalte vor bespart.<br />
Daz tougenlîche heftelîn<br />
daz von ûzen hinîn<br />
zer vallen was geleitet hin,<br />
daz was ein spinele von zin;<br />
diu valle was von golde,<br />
als si ze rehte solde:<br />
vall’ unde haft, diz unde daz,<br />
diu enmohten beide nimmer baz<br />
an ir eigenschaft sîn brâht.<br />
Daz zin daz ist diu guote andâht<br />
ze tougenlîchem dinge;<br />
daz golt daz ist diu linge.<br />
Zin unde golt sint wol hier an:<br />
sîn andaht mac ein ieclîh man<br />
nâch sînem willen leiten,<br />
smalen oder breiten,<br />
kürzen oder lengen,<br />
frîen oder twengen,<br />
sus oder sô, her oder hin,<br />
mit lîhter arbeit alse zin,<br />
und ist dâ lützel schaden an;<br />
swer aber mit rehter güete kan<br />
ze minnen wesen gedanchaft,<br />
den treit benamen dirre haft<br />
von zine, dem swachen dinge,<br />
ze guldîner linge<br />
und ze lieber âventiure.<br />
Obene in die fossiure<br />
dâ wâren niwan driu vensterlîn<br />
schœn’ unde tougenlîchen în<br />
gehouwen durch den ganzen stein,<br />
dâ diu sunne hin în schein.<br />
Der einez ist diu güete,<br />
daz ander diemüete,<br />
daz dritte zuht. Ze disen drîn<br />
dâ lachet in der süeze schîn,<br />
diu sælige gleste,<br />
êr’, aller liehte beste,<br />
und erliuhtet die fossiure<br />
wertlîcher âventiure.<br />
Ouch hât ez guote meine,<br />
daz diu fossiure als eine<br />
in dirre wüesten wilde lac;<br />
daz man dem wol gelîchen mac,<br />
daz minne und ir gelegenheit<br />
niht ûf die strâze sint geleit<br />
noch an dehein gevilde;<br />
si lôschet in der wilde.<br />
Ze ir klûse ist daz geverte<br />
arbeitsam unde herte.<br />
Die berge ligent dar umbe<br />
in maneger swæren krumbe<br />
verirret hin unde wider.<br />
Die stîge sint ûf unde nider<br />
uns marteræren allen<br />
mit velsen sô vervallen,<br />
wir engân dem pfade vil rehte mite,<br />
verstôze wir an einem trite:<br />
wir enkomen niemer mêre<br />
ze guoter widerkêre.<br />
Swer aber sô sælic mac gesîn,<br />
daz er zer wilde kumet hinîn,<br />
der selbe hât sîn arebeit<br />
vil sæleclîchen an geleit:<br />
der vindet dâ des herzen spil;<br />
swaz sô daz ôre hœren wil,<br />
und swaz dem ougen lieben sol,<br />
des alles ist diu wilde vol.<br />
und vor Falschheit und Gewalt geschützt.<br />
Der heimliche Hebel,<br />
der von außen<br />
zur Schnalle hineinführte,<br />
war eine zinnerne Spindel.<br />
Die Schnalle war mit Recht (‚wie sie mit Recht sollte‘) aus Gold<br />
Schnalle und Hebel, die beiden,<br />
hätten nicht besser<br />
entsprechend ihren Eigenschaften verwendet werden können:<br />
das Zinn ist die gute Aufmerksamkeit<br />
auf eine heimliche Sache;<br />
das Gold ist das Gelingen.<br />
Zinn und Gold passen gut dazu:<br />
seine Aufmerksamkeit kann jeder<br />
nach seinem Willen führen<br />
und so leicht wie Zinn dicker oder dünner,<br />
kürzer oder länger,<br />
freier oder enger machen,<br />
so oder so, her oder hin,<br />
mit leichter Mühe, wie man Zinn biegt,<br />
und es passiert kein Schaden dabei.<br />
Wenn aber jemand in rechter Güte<br />
an die Minne zu denken versteht,<br />
so führt ihn dieser Hebel<br />
aus schwachem Zinn<br />
zu goldenem Gelingen<br />
und liebem Abenteuer.<br />
Oben in die Höhle<br />
waren nur drei Fenster<br />
schön und heimlich<br />
durch den ganzen Stein hineingehauen,<br />
durch die die Sonne hineinschien.<br />
Das eine ist die Güte,<br />
das andere die Demut,<br />
das dritte Zucht. Zu diesen dreien<br />
lacht der süße Schein,<br />
der selige Glanz,<br />
die hellste und beste Ehre herein<br />
und erleuchtet die Grotte<br />
irdischen Glücks (âventiure ‚was zufällig begegnet‘, ‚Abenteuer‘; hier positiv,<br />
also etwa ‚Glück‘). Auch hat es einen guten Sinn,<br />
dass die Grotte so allein<br />
in dieser wüsten Wildnis lag,<br />
das kann man damit vergleichen,<br />
dass Minne und die Gelegenheit zu ihr<br />
weder an der Straße<br />
noch auf freiem Feld liegen.<br />
Sie logiert in der Wildnis.<br />
Der Weg zu ihrer Klause<br />
ist mühsam und hart.<br />
Berge liegen unterwegs<br />
mit vielen beschwerlichen Kurven<br />
um sie gestreut.<br />
Die Steige sind auf und ab<br />
zu unserem Leid<br />
so mit Felsen verlegt,<br />
dass wir den Pfad verlieren,<br />
wenn wir nur einen falschen Tritt machen,<br />
und dann kommen wir nie mehr<br />
heil zurück.<br />
Wenn aber jemand so glücklich ist,<br />
dass er in die Wildnis hineinfindet,<br />
der hat seine Mühe<br />
glückbringend angelegt:<br />
der findet da Herzensfreude.<br />
Was das Ohr hören will<br />
und was dem Auge lieb ist,<br />
diese Wildnis ist voll von dem allem.