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Literaturgeschichte 750-1500

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Mîn herze und mîn lîp, diu wellent scheiden, Mein Herz und mein Leib wollen sich trennen,<br />

diu mit einander wâren nû manige zît. die nun lange vereint waren.<br />

Der lîp wil gerne vehten an die heiden, Der Leib will gerne gegen die Heiden kämpfen,<br />

sô hât iedoch das herze erwelt ein wîp jedoch das Herz hat eine Frau erwählt,<br />

vor al der welt. Daz müet mich iemer sît, die ihm lieber ist als die ganze Welt (‚vor aller Welt‘). Es betrübt (müejen<br />

‚mühen‘) mich seither andauernd,<br />

daz siu ein ander niht volgent beide. dass sie beide (Herz und Leib) nicht einander folgen.<br />

mir habent diu ougen vil getân ze leide. Mir haben meine Augen großen Schmerz bereitet. 13<br />

got eine müese scheiden noch den strît. Gott allein kann (‚müßte‘) diesen Streit noch schlichten.<br />

Sît ich dich, herze, niht wol mac erwenden, Weil ich dich, Herz, nicht davon abbringen (erwenden ‚von etwas wegwenden,<br />

abbringen) kann,<br />

dû wellest mich vil trûreclîchen lân,<br />

mich traurig zu machen (‚dass du mich sehr traurig lassen wollest‘),<br />

sô bite ich got, daz er dich geruoche senden so bitte ich Gott, er möge geruhen, dich<br />

an eine stat, dâ man dich welle enpfân. an einen Ort zu senden, wo man dich gerne aufnimmt (‚empfangen wolle‘).<br />

Ôwê! Wie sol ez armen dir ergân?<br />

O weh, wie wird es dir Armem ergehen?<br />

wie getorstest dû eine an solhe nôt ernenden? Wie wagtest du (turren ‚wagen‘), allein dich in eine solche Not zu wagen?<br />

Wer sol dir dîne sorge helfen enden<br />

Wer soll dir treu helfen, deine Sorge zu vertreiben,<br />

mit triuwen, als ich hân getân?<br />

wie ich es getan habe (als du noch bei mir warst)?<br />

Ich wânde ledic sîn von solicher swære, Ich glaubte, von solchem Kummer (‚Beschwernis‘) frei zu sein,<br />

dô ich daz kriuze in gotes êre nan.<br />

als ich zur Ehre Gottes das Kreuz nahm.<br />

Ez wære ouch reht, daz ez alsô wære, So sollte es auch von Rechts wegen sein,<br />

wan daz mîn stætekeit mir sîn verban. doch meine Beständigkeit (in der Liebe) macht mir das unmöglich (verbunnen<br />

‚missgönnen‘).<br />

Ich solte sîn ze rehte ein lebendec man, Ich könnte mit gutem Recht ein lebensfroher Mensch sein,<br />

ob ez den tumben willen sîn verbære. wenn es (mein Herz) seinen törichten Willen ließe (verbern ‚von etwas ablassen‘).<br />

nu sihe ich wol, daz im ist gar unmære, Nun sehe ich wohl, dass es ihm (dem Herzen) ganz gleichgültig ist,<br />

wie ez mir süle an dem ende ergân.<br />

wie es mir letztendlich ergeht.<br />

Niemen darf mir wenden daz zunstæte, Niemand darf es mir als Untreue (ze unstæte ‚zur Unbeständigkeit‘) auslegen,<br />

ob ich die hazze, die ich dâ minnet ê. wenn ich die hasse, die ich früher liebte.<br />

swie vil ich si gevlêhte oder gebæte,<br />

Wie sehr ich sie auch anflehen und bitten würde (= ‚Wenn ich sie auch noch<br />

so ...‘),<br />

sô tuot si rehte, als sis niht verstê.<br />

so tut sie gerade, als verstünde sie es nicht.<br />

Mich dunket, wie ir wort gelîche gê,<br />

Mich dünkt, sie sagt immer das selbe (‚wie ihr Wort immer gleich gehe),<br />

rehte als ez der so < u ?> mer von Triere tæte. wie es der ??? (soumer ‚der ein Lasttier treibt‘, sumber ‚Trommel‘, sumer<br />

‚Sommer‘) von Trier täte. 14<br />

Ich wær ein gouch, ob ich ir tumpheit hæte Ich wäre ein Tölpel, wenn ich ihre Dummheit<br />

vür guot. Ez engeschiht mir niemer mê. im Guten deuten würde. So etwas wird mir nie wieder passieren.<br />

Die letzte Strophe macht den Eindruck, nur lose mit dem Lied verbunden zu sein, weil die Kreuzzugsthematik fehlt;<br />

die beiden mittleren Strophen wollen manche Herausgeber umstellen. In der einen der beiden Handschriften, die es<br />

enthalten (‚Weingartner Liederhandschrift, „B“), stehen nur die beiden ersten Strophen beisammen, die beiden<br />

anderen als Einzelstrophen zwischen anderen Liedern. Uns geht es hier um die Distanz und darum, dass die<br />

räumliche Distanz in diesem Lied schließlich auch eine innere Entfremdung herbeiführt.<br />

27<br />

MF 4,17<br />

Wol hœher danne rîche bin ich alle die zît,<br />

sô alsô güetlîche diu guote bî mir lît.<br />

si hât mich mit ir tugende gemachet leides vrî.<br />

ich kom ir nie so verre sît ir jugende,<br />

ir enwære mîn stætez herze ie nâhe bî.<br />

Kaiser Heinrich<br />

Noch höher als mächtig 15 bin ich allezeit,<br />

wenn so im Guten die Geliebte bei mir liegt.<br />

Mich hat ihr beglückendes Wesen (oder doch richtiger die wörtliche<br />

Übersetzung: ‚mit ihrer Tugend‘; die Tugend der Dame ist es, die dem<br />

Ritter hôhen muot schenkt) von allem Leid befreit.<br />

Seit ihrer Jugend 16 konnte ich ihr nie wirklich ferne sein,<br />

ohne dass mein treues Herz ihr immer nah gewesen wäre.<br />

13 Indem sie mir meine Geliebte zeigten.<br />

14 Anscheinend wird hier auf einen uns unbekannten Schwank angespielt. Bei sumer hat man außer an ‚ Säumer’ = Treiber eines<br />

Saumtieres (Maultier oder Pferd, dem Lasten aufgelegt werden) auch an ‚Sommer’, oder: sumber ‚Trommel’ oder, da es einen<br />

Trierer sumer als Maßeinheit gibt, auch an diesen gedacht. Es ist aber ziemlich gleichgültig, mit welchem Wort man sumer<br />

übersetzt, da wir die Geschichte, auf die angespielt wird, nicht kennen.<br />

15 Oder, nach einer Konjektur zu danne z rîche: noch höher als die Kaiserwürde.<br />

16 Oder, nach einer Konjektur: seit meiner Jugend.

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