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Literaturgeschichte 750-1500

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124<br />

Daz was ein wunderlîch geschiht,<br />

Das war eine seltsame Geschichte,<br />

daz man den lîp von danne treip<br />

dass man den Leib vertrieb<br />

und daz mîn herze aldâ beleip:<br />

und dass mein Herz dort blieb.<br />

daz was bî ir naht unde tac,<br />

Das war Tag und Nacht bei ihr<br />

daz ez vil selten ruowe pflac.<br />

und kam nie zur Ruhe.<br />

Die bekanntesten Aktionen Ulrichs sind wohl die „Venusfahrt“, die Ulrich, nach dem Frauendienst muss es im<br />

Jahre 1227 gewesen sein, als Frau Venus verkleidet von Mestre bei Venedig durch Friaul, Kärnten, die Steiermark<br />

und Österreich bis an die böhmische Grenze unternommen haben will und sicher auch unternommen hat, und die<br />

„Artusfahrt“ von 1240, als er als König Artus mit einigen Ritter, denen er Namen von Tafelrundenrittern aus Artusromanen<br />

gab, durch die Steiermark bis Katzelsdorf bei Wiener Neustadt, wo damals die Grenze zwischen Österreich<br />

und Steier verlief. Diese Fahrten bestanden darin, dass er die Reiseroute entlang in jedem größeren Ort station<br />

machte und gegen die dortigen Ritter Lanzen verstach – ein kleiner Gahmuret. Das hat seine Beliebtheit beim steirischen<br />

Rittertum sicher erhöht, und zu diesem Zweck hat er wohl die Fahrten unternommen.vor allem die Schilderung<br />

der Venusfahrt ist anschaulich und humorvoll (S. 160-164,24):<br />

Aventiure wie der Uolrîch in küneginne wîse fuor durch diu lant mit ritterschefte.<br />

Dô ich die botschaft vernam, Als ich diese Botschaft vernahm, 112<br />

mîn lîp was frô, das herze sam,<br />

waren ich und mein Herz froh,<br />

daz ir mîn vart geviele wol,<br />

dass ihr meine Fahrt Freude machte,<br />

des wart ich aller freuden vol.<br />

Und Freude erfüllte mich ganz.<br />

Al zehant bereit ich dô<br />

Sofort machte ich mich bereit<br />

mich unde was von herzen frô<br />

und war von Herzen froh,<br />

daz mîn gevert si dûhte guot:<br />

dass mein Aufzug sie gut dünkte:<br />

dâ von was ich vil hôchgemuot.<br />

davon war ich ganz hochgemut.<br />

sam ‚ebenso‘; dûhte Präteritum von dünken.<br />

Mîn lîp bereitet palde wart<br />

Bald wurde ich für die Ritterfahrt ausgerüstet.<br />

ûf die vil ritterlîchen vart.<br />

Ich huop mich als ein bilgerîn<br />

Ich verließ das Land als ein Pilger.<br />

sâ von dem lande: daz muost sîn.<br />

Das war notwendig,<br />

Durch heln ich taschen unde stap<br />

um die Reise zu verheimlichen. Tasche und Stab<br />

sâ nam (ein priester mir daz gap),<br />

borgte ich mir von einem Priester,<br />

als ich ze Rôme wolde varn.<br />

als ob ich nach Rom fahren wolle,<br />

Ich bat mich sêre got bewarn.<br />

und empfahl mich in Gottes Obhut.<br />

Ze Venedige ich vil palde quam.<br />

Bald erreichte ich Venedig.<br />

Ein herberge mîn lîp dâ nam<br />

Dort nahm ich mir eine Herberge<br />

vil verre von den liuten hin.<br />

weit weg von den Leuten.<br />

Daz tet ich wan ûf sölhen sin,<br />

Das tat ich nur in der Absicht,<br />

daz niemen mich erkande dâ:<br />

dass mich niemand erkenne,<br />

daz behuot ich dâ und anderswâ.<br />

darauf gab ich dort und überall acht.<br />

Den winder allen ich dâ lac.<br />

Dort blieb ich den ganzen Winter.<br />

Nu hoeret wes mîn lîp dâ pflac.<br />

Nun hört, was ich da tat:<br />

verre ‚fern‘.<br />

Stilistisch wunderbar geglückt ist, wie Ulrich die Beschreibung seiner Kleidung in Tätigkeit (Befehle an die<br />

Handwerker und Ausführung) umlegt:<br />

Ich hiez mir snîden vrowen cleit.<br />

Ich ließ mir Frauenkleider zuschneiden.<br />

Zwelf röckel wurden mir bereit,<br />

Zwölf Röcke wurden mir bereitet<br />

und drîzic vrowen ermel guot<br />

und dreißig gute Frauenärmel<br />

an kleiniu hemd: daz was mîn muot.<br />

für zierliche Hemden; so wollte ich es.<br />

Dar zuo ich willeclîch gewan<br />

Dazu ließ ich mir<br />

zwên schoene zöpfe wol getân,<br />

zwei schöne dicke Zöpfe machen,<br />

die ich mit perlîn wol bewant,<br />

die ich mit Perlen umwand.<br />

der ich dâ wunder veile vant.<br />

Von denen gab es dort unglaublich viel zu kaufen.<br />

Man sneit mir sâ an der zît<br />

Man schneiderte mir damals auch<br />

drî wîze kappen von samît.<br />

drei Mäntel aus weißem Samt.<br />

Die setel wâren silberwîz,<br />

Die Sättel waren silberweiß,<br />

dar an der meister grôzen vlîz<br />

die fertigte der Meister mit Fleiß<br />

mit sîner meisterschefte leit.<br />

und Kunst.<br />

Von wîzem tuoch man drüber sneit<br />

Darüber schneiderte man Satteldecken aus weißem Tuch<br />

lanc unde wît vil meisterlîch.<br />

meisterhaft lang und weit.<br />

Die zeume wâren koste rîch.<br />

Die Zäume waren wertvoll.<br />

Zwelf knappen sneit man sâ zehant<br />

Für zwölf Knappen schneiderte man bald<br />

von wîzem tuoche guot gewant.<br />

aus weißem Tuch gutes Gewand.<br />

Man macht mir ouch wol hundert sper,<br />

Man machte mir auch etwa hundert Speere,<br />

von silber wîz, nâch mîner ger.<br />

silberweiß, nach meinen Anweisungen.<br />

112 Dass seine frouwe seine Venusfahrt billigte.

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