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Recht | Privacy<br />
Dirk große Osterhues<br />
Lauschen auf<br />
Schwedisch<br />
Die wechselvolle Geschichte<br />
des FRA-Gesetzes<br />
Weithin unbemerkt von der deutschen Berichterstattung<br />
hat Schweden im Sommer 2008 ausgelotet, wie viel staatliche<br />
Überwachung sich seine Bürger wohl zumuten lassen<br />
würden. Im Juni nickte das Parlament das bislang weitreichendste<br />
Abhörgesetz der westlichen Welt ab. Massiver<br />
Gegenwind sorgte schließlich für eine Kehrtwende der Regierung.<br />
Nun befürchten sogar Abhörkritiker, dass Ermittlungsbehörden<br />
und Geheimdienste nicht mehr genügend<br />
Zugang zur elektronischen Kommunikation haben könnten.<br />
Die hoch umstrittenen Regelungen<br />
des neuen<br />
deutschen BKA-Gesetzes<br />
nehmen sich gegenüber dem,<br />
was am 18. Juni 2008 im Riksdagen<br />
zur Abstimmung stand, fast<br />
harmlos aus. In der letzten Sitzung<br />
vor seiner Sommerpause<br />
stimmte das schwedische Parlament<br />
einem umfassenden Abhörgesetz<br />
zu, das mit Beginn des<br />
neuen Jahres in Kraft treten sollte<br />
[1]. Dieses Gesetz erlaubt es<br />
der Funküberwachungsbehörde<br />
des schwedischen Verteidigungsministeriums<br />
(Försvarets Radioanstalt,<br />
FRA), den kompletten kabelgebundenen<br />
Datenverkehr<br />
abzuhören und auszuwerten,<br />
der die Grenzen Schwedens<br />
überquert.<br />
Wenige Tage vor der Abstimmung<br />
machte sich jedoch bei<br />
den Regierungsparteien datenschutzbedingter<br />
Unmut über<br />
das neue Gesetz breit. So kam es<br />
dazu, dass das Parlament seine<br />
Zustimmung nur unter der Bedingung<br />
gab, dass zwölf neue<br />
Änderungsanträge dazu bis Ende<br />
2008 umgesetzt würden. Sie betrafen<br />
Klarstellungen im Hinblick<br />
auf Genehmigung und Anwendungspraxis<br />
von Abhörmaßnahmen<br />
sowie die Vernichtung von<br />
Aufzeichnungen. Außerdem sollten<br />
sie Regierung und Sicherheitsbehörden<br />
verpflichten, die<br />
Privatsphäre von Bürgern bei<br />
Abhörentscheidungen zu berücksichtigen,<br />
und die Transparenz<br />
des Vorgehens durch mehrere<br />
Kontrollinstanzen gewährleisten.<br />
Hierzu gehören die Bildung<br />
eines parlamentarischen<br />
Ausschusses mit einem Datenschutzbeauftragten,<br />
Jahresberichte<br />
an die Regierung und ein<br />
Überprüfungsauftrag an die Datenschutzbehörde.<br />
Während der anschließenden<br />
parlamentarischen Sommerpause<br />
kochte die öffentliche Kontroverse<br />
hoch. Es wurde viel über<br />
mögliche Einsatzszenarien der<br />
gesetzlichen Befugnisse für die<br />
Behörden spekuliert und darüber,<br />
wie tief die Einschnitte des<br />
Staats in die Privatsphäre seiner<br />
Bürger ausfallen würden.<br />
Försvarets Radioanstalt<br />
Die 1942 gegründete FRA untersteht<br />
dem schwedischen Verteidigungsministerium.<br />
Ihre eigentliche<br />
Aufgabe besteht darin, die<br />
Funk- und Satellitenkommunikation<br />
im schwedischen Hoheitsgebiet<br />
zu überwachen. Auftraggeber<br />
und Abnehmer dieser Informationen<br />
waren bislang die<br />
Polizei, der Zoll, die Behörde für<br />
Krisenmanagement, das Außenund<br />
das Verteidigungsministerium,<br />
der militärische Nachrichten-<br />
und Sicherheitsdienst (MUST)<br />
sowie der nationale Nachrichtendienst<br />
und Staatsschutz (Säpo).<br />
Im vergangenen Jahrzehnt<br />
konnte die FRA immer weniger<br />
verwertbare Informationen aus<br />
dem Äther holen. Daher sah die<br />
Regierung einen Bedarf für ein<br />
neues Gesetz, um die Funklauscher<br />
auch zum Abhören kabelgebundener<br />
Kommunikation<br />
zu ermächtigen. Als Gründe<br />
nannte sie außerdem den Kampf<br />
gegen internationale Kriminalität<br />
und wachsende Terrorismusgefahr.<br />
Gemessen an der im Vergleich<br />
etwa zu Deutschland geringen<br />
Einwohnerzahl des Königreichs<br />
(rund 9,2 Mio. gegenüber 82,2<br />
Mio.) ist die FRA sehr gut ausgestattet.<br />
Sie hat 650 Mitarbeiter,<br />
verfügt über ein Abhörschiff der<br />
schwedischen Marine auf der<br />
Ostsee sowie zwei umgerüstete<br />
Gulfstream-Ziviljets. Ihr Rechnersystem<br />
ist laut der „Internationalen<br />
Liste öffentlich bekannter<br />
Supercomputer“ vom November<br />
2007 [2] das fünftschnellste der<br />
Welt. Als dieses System 2007 angeschafft<br />
wurde, nannte die FRA<br />
als dessen offiziellen Zweck<br />
kryptologische Anwendungen,<br />
also das Decodieren verschlüsselter<br />
Kommunikation.<br />
Sonderbares<br />
Im Vorfeld der Parlamentsabstimmung<br />
hatte das Gesetz zunächst<br />
noch wenig öffentliche<br />
Kritik auf sich gezogen, obgleich<br />
es seit 2007 angekündigt war.<br />
Auch die sozialdemokratische<br />
Opposition machte bei der Abstimmung<br />
vornehmlich technische,<br />
weniger prinzipielle Bedenken<br />
geltend. Das mag damit zu<br />
tun haben, dass sie zu der Zeit,<br />
als das Gesetzesvorhaben auf<br />
den Weg gebracht wurde, noch<br />
regierende Kraft im Land war.<br />
Eine für schwedische Verhältnisse<br />
ungewöhnlich kontroverse<br />
öffentliche Diskussion setzte erst<br />
ein, als das Parlament sich bereits<br />
in die Sommerpause zurückgezogen<br />
hatte. Vielfach wurde etwa<br />
die Rechtfertigung nicht akzeptiert,<br />
das Gesetz verstärke den<br />
Schutz vor internationalem Terrorismus.<br />
Das neutrale Land, so hieß<br />
es, sei in dieser Hinsicht keiner<br />
realen Bedrohung ausgesetzt.<br />
Mancher argwöhnte auch, die<br />
Regierung unterliege einer zu<br />
starken Technikfaszination, die<br />
von Werten wie der freien Entfaltung<br />
der Persönlichkeit und dem<br />
Recht auf Privatheit ablenke.<br />
Diese Ausrichtung stehe nicht<br />
zuletzt in Zusammenhang mit<br />
dem Bemühen des Staates, einen<br />
schwedischen Entwicklungsvorsprung<br />
auf dem IT-Sektor zu<br />
wahren.<br />
Ein ungewöhnlicher Aspekt<br />
an dieser Phase der Diskussion<br />
betrifft die mangelnde Wahrnehmung<br />
der vom Parlament aufgestellten<br />
zwölf Änderungsanträge.<br />
Selbst Mitarbeiter des Parlamentsbüros<br />
der regierungsbeteiligten<br />
Folkpartiet mussten auf<br />
Anfrage nach dem Inhalt zunächst<br />
mit den Achseln zucken,<br />
obgleich der Text öffentlich auf<br />
den Webseiten des Parlaments<br />
zugänglich war [3].<br />
Verbindungslinien<br />
Anfang September kam ein<br />
neuer Aspekt in die Auseinandersetzung:<br />
Es ging um den mög-<br />
136 c’t 2009, Heft 2<br />
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