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Recht | Privacy<br />
Notwendigkeit an, den russischen<br />
Internetverkehr mit dem Ausland<br />
abzuhören, der zu 80 Prozent<br />
über schwedische Leitungen abgewickelt<br />
werde. Das sei bedeutsam,<br />
da Schweden nachrichtendienstliche<br />
Informationen vor<br />
allem über Russland bräuchte –<br />
schon als wertvolles Tauschmaterial<br />
gegenüber Diensten befreundeter<br />
Länder.<br />
Menschenrechte<br />
verletzt?<br />
Internet<br />
Bereits Mitte Juli reichte die<br />
gemeinnützige Rechtsberatung<br />
„Centrum för rättvisa“ beim Europäischen<br />
Gerichtshof für Menschenrechte<br />
(EGMR) eine Beschwerde<br />
gegen das FRA-Gesetz<br />
ein und ignorierte dabei zu<br />
einem guten Teil die vom Parlament<br />
aufgestellten Bedingungen<br />
[4]. Zu den Hauptklagepunkten<br />
gehörte, dass der Zweck der<br />
Informationsgewinnung nicht<br />
eindeutig formuliert sei. Die Definition<br />
dessen, was abgehört werden<br />
könnte, sei zu schwammig;<br />
auch sei nicht klar bestimmt,<br />
unter welchen Umständen die<br />
FRA gewonnene Informationen<br />
an andere Behörden und Stellen<br />
weitergeben dürfe. Angaben zur<br />
Löschung aufgezeichneter Kommunikationsdaten<br />
fehlten gänzlich.<br />
Zudem habe das Gesetz<br />
nicht die Möglichkeit geschaffen,<br />
dass jemand im Nachhinein erfahren<br />
könne, ob er abgehört<br />
worden sei.<br />
Aufgrund der Struktur der<br />
heutigen vernetzten Welt sei es<br />
Zufall, ob ein Kommunikationsvorgang<br />
die Landesgrenze überschreite.<br />
Daher sei es nicht möglich,<br />
auf verlässliche Weise ausschließlich<br />
die Kommunikation<br />
Sofern es um Internet-<br />
Verbindungen geht, kann<br />
bislang kein technisches<br />
Verfahren Ursprung und<br />
Ziel von Kommunikationsvorgängen<br />
auf nationaler<br />
Ebene zuverlässig filtern.<br />
mit dem Ausland zu überwachen.<br />
Überdies dürfe das FRA-<br />
Gesetz in seinem Rechtseingriff<br />
nicht zwischen schwedischen<br />
Bürgern und denen europäischer<br />
Nachbarländer unterscheiden.<br />
Die ursprüngliche Version des<br />
Gesetzes hätte auch beispielsweise<br />
die Vertraulichkeit zwischen<br />
einem Anwalt und seinem Mandanten,<br />
zwischen einem Journalisten<br />
und seinem Informanten<br />
im europäischen Ausland nicht<br />
gewährleisten können.<br />
Ähnliche Mängel sah der ehemalige<br />
Säpo-Chef Anders Eriksson.<br />
Seiner Ansicht nach hätte es<br />
keine hinreichende Kontrolle der<br />
Suchbegriffe für die Filterung abgehörter<br />
Daten und Gespräche<br />
gegeben. Er erwartete ein Scheitern<br />
des Gesetzes vor dem EGMR.<br />
Eine Entscheidung über die<br />
Beschwerde steht noch aus.<br />
Reaktionen<br />
Die internationale Kommunikation<br />
Norwegens, Finnlands und<br />
Dänemarks wird größtenteils<br />
über schwedische Netze abgewickelt.<br />
Vor allem diese Länder<br />
protestierten öffentlich gegen<br />
das FRA-Gesetz. Begründung:<br />
Ein fremder Staat dürfe nicht<br />
ihre Bürger überwachen, ohne<br />
dass sie darauf Einfluss nehmen<br />
könnten.<br />
Die Branchenvereinigung „IT &<br />
Telekomföretagen“ der schwedischen<br />
IT-Unternehmen sah in<br />
dem Gesetz ein Hemmnis für Investitionen<br />
aus dem Ausland. Tatsächlich<br />
hatte der Suchmaschinenbetreiber<br />
Google bereits vor<br />
der Parlamentsabstimmung angekündigt,<br />
keine weiteren Investitionen<br />
in schwedische Server<br />
vorzunehmen, falls das Gesetz<br />
beschlossen würde. TeliaSonera,<br />
der größte Breitbandanschlussund<br />
E-Mail-Anbieter in den nordischen<br />
Ländern, drohte, die E-<br />
Mail-Server für finnische Kunden<br />
aus Schweden herauszuverlegen.<br />
Kehrtwende<br />
Nach der parlamentarischen Sommerpause<br />
legte das Regierungsbündnis<br />
Ende September als Reaktion<br />
auf die inzwischen laut gewordenen<br />
Bedenken einen Rahmenentwurf<br />
für ein Zusatzgesetz<br />
in Form von 15 Punkten vor, das<br />
die Rechte des Datenschutzes<br />
stärken sollˇ[5]. Beeindruckend<br />
daran ist, dass die Regierung<br />
nicht nur alle vom Parlament geforderten<br />
Änderungen umgesetzt<br />
hat, sondern deutlich darüber<br />
hinausgegangen ist.<br />
Zwei Punkte stechen besonders<br />
hervor: So bedarf nun<br />
jeder Überwachungsauftrag eines<br />
richterlichen Beschlusses; er<br />
kann nicht lediglich durch einen<br />
Ausschuss abgenickt werden.<br />
Überdies darf die FRA keinen Informationsaustausch<br />
mehr mit<br />
Polizeibehörden und Inlandsgeheimdiensten<br />
betreiben. Es gibt<br />
auch keine Abhöraufträge von<br />
diesen Seiten mehr – bislang war<br />
so etwas durchaus möglich.<br />
Mit all diesen Einschränkungen<br />
ist es erheblich schwieriger<br />
für die schwedischen Behörden,<br />
in die Privatsphäre einzelner Bürger<br />
einzudringen, als es vor dem<br />
ursprünglichen FRA-Gesetz war.<br />
Inzwischen befürchtet sogar<br />
mancher vormalige Kritiker dieses<br />
Gesetzes, die Polizeibehörden<br />
und die Inlandsgeheimdienste<br />
würden nun nicht mehr genügend<br />
Informationen für ihre Ermittlungen<br />
bekommen.<br />
Lehrreich<br />
Die Geschehnisse im Zusammenhang<br />
mit dem FRA-Gesetz<br />
sind in mehrerlei Hinsicht<br />
außergewöhnlich. So zeigte sich<br />
etwa in der Auseinandersetzung,<br />
dass Bürger streckenweise das<br />
ansonsten starke Vertrauen in<br />
–ˇAlle Abhörmaßnahmen bedürfen<br />
einer richterlichen Anordnung.<br />
–ˇKommunikation mit Ursprung<br />
und Ziel in Schweden<br />
darf nicht abgehört werden.<br />
–ˇOhne Sondergenehmigung<br />
dürfen keine Suchbegriffe verwendet<br />
werden, die einer einzelnen<br />
Person direkt zurechenbar<br />
sind.<br />
–ˇWer den Verdacht hat, das<br />
Ziel von Abhörmaßnahmen<br />
gewesen zu sein, darf sich an<br />
ihren Staat verloren. Das Gefühl<br />
der permanenten Überwachung<br />
und der Veränderung der individuellen<br />
Verhaltensweisen führte<br />
zu einer kritischen Abwägung<br />
zwischen freiheitlichen Grundwerten<br />
und dem intensiven Sicherheitsbedürfnis.<br />
Besonders bemerkenswert ist<br />
die Wendung, die das Verfahren<br />
zum Schluss genommen hat.<br />
Der schwedische Gesetzgeber<br />
ist hier von einem Extrem ins<br />
andere gekippt. In diesem Zusammenhang<br />
bleibt interessant,<br />
zu welchem Ergebnis der Untersuchungsausschuss<br />
kommen<br />
wird, der den Bedarf der schwedischen<br />
Polizeibehörden und<br />
Nachrichtendienste an Geheiminformationen<br />
ermitteln soll. Er<br />
wird jedoch erst in einigen Monaten<br />
mit Ergebnissen aufwarten<br />
können.<br />
(psz)<br />
Literatur<br />
[1]ˇParlamentsentscheidung: www.<br />
heise.de/newsticker/Schwedens-<br />
Parlament-stimmt-umfassendem-<br />
Lausch-Gesetz-zu–/meldung/<br />
109670<br />
[2]ˇInternationale Liste öffentlich bekannter<br />
Supercomputer: www.<br />
top500.org<br />
[3]ˇListe der bis Sommer 2008 geforderten<br />
Änderungen am FRA-Gesetz:<br />
www.sweden.gov.se/sb/d/<br />
10941/a/110679#item110693<br />
[4]ˇBeschwerde beim EGMR: www.<br />
heise.de/newsticker/Schwedische-<br />
Buergerrechtler-beschweren-sichbei-Menschenrechtsgerichtshofueber-Lauschgesetz–/meldung/<br />
110921<br />
[5]ˇzur Neufassung: www.thelocal.<br />
se/14576/20080926/<br />
Rahmen für einen Zusatz zum FRA-Gesetz,<br />
25.ˇ9.ˇ2008 (Auszug)<br />
die FRA-Kommission wenden.<br />
Diese muss untersuchen, ob es<br />
eine rechtliche Grundlage für<br />
etwaige Aktivitäten gab.<br />
–ˇDie Verpflichtung zur sofortigen<br />
Vernichtung abgehörter<br />
Daten betrifft auch die Kommunikation<br />
mit Seelsorgern und<br />
ähnlichen Vertrauenspersonen.<br />
–ˇDaten zu Quelle, Ziel, Zeit,<br />
Dauer und Ort einer Kommunikation<br />
dürfen nicht länger<br />
als zwölf Monate gespeichert<br />
werden.<br />
c<br />
138 c’t 2009, Heft 2<br />
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