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Kompakte Notebooks Kompakte Notebooks - Wuala

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„Marco! Ich bin es – Rundé! Ich musste<br />

eben unterbrechen.“<br />

„Ist bei dir alles klar?“, wollte ich wissen.<br />

„Ja, es läuft ziemlich gut. Ist Luca da? Ich<br />

versuche ihn zu erreichen, aber es geht nur<br />

die Mailbox ran.“<br />

„Ja, er ist hier“, bestätigte ich.<br />

Atembé unterbrach nur kurz und fragte<br />

mich: „Hat er sie gefunden?“<br />

„Wen soll er gefunden haben?“, echote ich<br />

irritiert.<br />

„Ja!“, meldete Rundé via Handy: „Sag,<br />

Luca, dass ich sie gefunden habe. Und er soll<br />

mir sagen, wann es losgeht.“<br />

„Er will wissen, wann es losgeht.“<br />

„Ich ruf ihn an“, bestimmte Atembé. „Er<br />

soll sie nicht aus den Augen verlieren!“<br />

„Hast du das gehört, Rundé?“, fragte ich.<br />

„Ja, verstanden“, bestätigte Rundé und<br />

legte dann auf.<br />

Ich steckte das Handy weg. „Um was geht<br />

es, Bruder?“<br />

Atembé grinste, ohne mich direkt anzuschauen,<br />

seine Aufmerksamkeit noch immer<br />

dem Internet zugewandt.<br />

„Die Kuriere sind endlich da.“<br />

„Du meinst, sie bringen uns die Chips?“<br />

Ich war verblüfft.<br />

„Ja, Marco! Schon bald werden wir Bürger<br />

der EU sein. Marco Fideles und Luca Silvestri,<br />

wohnhaft in der ewigen Stadt, zurückgekehrt<br />

nach einer beeindruckenden Reise<br />

durch die Slums und die Wüsten Afrikas. Mit<br />

einem quälenden Gewissen, weil wir den<br />

armen Leuten des schwarzen Kontinents den<br />

Zugang zu den Wasserquellen Europas verwehren.<br />

Aber was sollen wir schon tun?<br />

Unser Urlaub dauerte nur zwei Wochen, und<br />

schon bald werden wir wieder zu Hause<br />

sein.“<br />

Ich glotzte nur, spürte, dass es mir den<br />

Atem verschlug.<br />

„Ich bin ein Magier, Marco.“<br />

Atembé schwieg und konzentrierte sich<br />

wieder auf den Schirm. Er bemerkte nicht,<br />

wie ich den Bunker verließ.<br />

In der heißen Mittagssonne ließ ich meinen<br />

Gefühlen freien Lauf. Sollte es wirklich<br />

möglich sein, den Todeszaun unbehelligt<br />

zu passieren? Wenn, dann würden sich unendliche<br />

Chancen bieten. Wir würden unseren<br />

Brüdern aus dem Innern des verheißenen<br />

Landes heraus helfen können.<br />

Ich weinte. Weinte um die gestorbenen<br />

Hundertausend, die versucht hatten, dorthin<br />

zu gelangen. Und ich weinte um die<br />

knappe Milliarde, die an Hunger, Durst und<br />

Kriegen zugrunde gegangen war. Vierzig<br />

Jahre, seitdem 90 Prozent der afrikanischen<br />

Fläche durch den Klimawandel unbewohnbar<br />

geworden war, drängten sich noch eine<br />

halbe Milliarde Afrikaner an den Küstenstreifen<br />

entlang, ohne Hoffnung auf ein<br />

menschenwürdiges Leben, immer unter der<br />

Beobachtung der EU-Legion, die den Ausbruch<br />

der Gequälten verhinderte.<br />

Nun – endlich – würden wir es schaffen.<br />

Zwei Tage später erwachte ich am frühen<br />

Morgen im Bunker. Ich hatte<br />

schlecht geträumt, fühlte mich wie gerädert<br />

und sah, dass Atembé wieder mal die<br />

Tastatur malträtierte.<br />

„Morgen, Bruder“, grüßte ich ihn leise.<br />

„Es ist ein guter Morgen, Marco. Ich habe<br />

Rundé das Startsignal gegeben. Heute Nachmittag<br />

wird der Chirurg zu uns kommen.“<br />

Ich schluckte. Ein flaues Gefühl im Bauch,<br />

aktiviert von meiner beginnenden Nervosität,<br />

ärgerte mich. Ich schloss meine Augen<br />

und konzentrierte mich, beruhigte meinen<br />

Herzschlag, bis ich wieder gleichmäßig und<br />

langsam atmete.<br />

„Hast du herausgefunden, welches Gateway<br />

wir benutzen können?“, fragte ich.<br />

„Passage B der Exklave wird heute umgestellt.<br />

In zwei Wochen, wenn unsere Narben<br />

verheilt sind, wird es ohne menschliche Kontrolle<br />

auskommen. Sie werden es nicht merken,<br />

Marco. In zwei Wochen sind wir am Ziel.“<br />

Ich wollte seine Begeisterung teilen, aber<br />

die Angst schnürte mir die Kehle zu. Um meinen<br />

Händen und meinem Kopf eine Aufgabe<br />

zuzuteilen, checkte ich die Medikamente,<br />

die wir benötigen würden.<br />

Alles war an seinem Platz, alles war gerichtet.<br />

Rundé stürzte die steile Eingangstreppe<br />

herunter, stolperte leicht und fiel mir<br />

so beinahe in die Arme.<br />

„Langsam, Bruder“, gemahnte ich ihn.<br />

„Wo ist Atembé?“, fragte er außer Atem.<br />

Ich warf ihm einen strengen Blick zu.<br />

„Ich meine Luca!“<br />

„Komm mit“, wies ich Rundé an und führte<br />

ihn dann in den Nebenraum, mit den beiden<br />

Op-Tischen, auf denen der Chirurg uns später<br />

operieren würde.<br />

Atembé hatte sich zum Schlafen auf eine<br />

der Liegen gelegt.<br />

Ich weckte ihn sanft. Zuerst schien er nicht<br />

richtig wach zu werden und ich fragte mich,<br />

wie viele Stunden er in den letzten Tagen<br />

tatsächlich geschlafen hatte. Doch dann sah<br />

er Rundé, sprang von der Liege und stürzte<br />

auf unseren Bruder zu.<br />

„Hast du sie?“, herrschte er Rundé an.<br />

Der nickte nur, griff in die Tasche und<br />

holte etwas heraus. Rundé drehte seine<br />

Hand, öffnete die Faust und grinste zufrieden.<br />

Auf der Handfläche lagen zwei Chips mit<br />

einer Fläche von maximal einem Quadratzentimeter.<br />

Atembé starrte darauf, seine Blicke<br />

schienen die Hand mit den Schlüsseln<br />

zum verheißenen Land zu durchleuchten.<br />

Vorsichtig nahm er die Chips entgegen<br />

und trug sie zu seinem Arbeitsplatz im<br />

Nebenraum. Rundé und ich folgten ihm<br />

leise, sahen zu, wie er den einen Chip auf den<br />

Tisch legte. Neben seinem Notebook stand<br />

ein rechteckiger Metallwürfel von fünf Zentimetern<br />

Kantenlänge. Diesen öffnete Atembé<br />

mit einem Kopfdruck in der Mitte der oberen<br />

Seite. Es klackte leise und der Würfel klappte<br />

auseinander. Im Innern sah ich einen Wirrwarr<br />

von winzigen Leitungen und mehrere<br />

Steckplätze für verschiedene externe Geräte.<br />

Atembé nahm den zweiten Chip und verband<br />

ihn mit einem der Anschlüsse. Danach<br />

schloss er den Würfel, verband ihn mit dem<br />

Notebook und begann wieder auf der Tastatur<br />

zu klappern.<br />

Um ihn nicht allzusehr zu stören, flüsterte<br />

ich meine nächste Frage nur, damit Atembé<br />

sie notfalls ignorieren konnte: „Was machst<br />

du jetzt, Bruder?“<br />

Er unterbrach seine Arbeit nicht, während<br />

er mir antwortete: „Ich kontrolliere die Datensätze<br />

und werde sie dann auf unsere Bedürfnisse<br />

anpassen.“<br />

Ich stutzte und dachte einen Moment<br />

lang nach. Dann konnte ich nicht anders. Ich<br />

fragte: „Es sind schon Datensätze auf den<br />

Chips? Wollten uns die Boten nicht frische<br />

Ware liefern?“<br />

„So ist es besser! Ich sehe, wie die Daten<br />

verschlüsselt wurden, und kann mich an der<br />

Struktur orientieren.“<br />

„Aber von wem haben die Boten die Chips<br />

bekommen?“ Ich ignorierte mit dieser weiteren<br />

Frage Atembés ärgerlichen Tonfall. Mein<br />

Bauchgefühl ließ mir keine Ruhe.<br />

Die Finger auf der Tastatur hoben sich<br />

und Atembé wandte sich mir zu. Ich hatte<br />

den Eindruck, dass seine Augen glühten.<br />

Angst! Ich schwitzte vor Furcht, nackter<br />

Panik vor dem Mann, der doch eigentlich<br />

mein Bruder war.<br />

„Marco!“, zischte er zwischen seinen zusammengepressten<br />

Lippen hervor. „Ich –<br />

nein – wir brauchen diese Chips, und es ist<br />

mir egal, wie sie beschafft wurden. Wenn<br />

dabei zwei weiße Teufel draufgegangen<br />

sind, umso besser. So haben wieder zwei<br />

mehr von uns einen Platz, an dem sie überleben<br />

können, weil er freigeräumt wurde. Falls<br />

du also jetzt – zu diesem entscheidenden<br />

Augenblick – Gewissenbisse wegen unseres<br />

Plans entwickelst, so bist du am falschen Ort<br />

dafür.“ Er stockte, atmete heftig und fuhr<br />

dann fort: „Willst du am falschen Ort sein?“<br />

Ich schüttelte den Kopf.<br />

„Gut. Dann lass mich fortfahren und stör<br />

mich nicht noch mehr!“ Atembé wandte sich<br />

ab und machte weiter.<br />

Ich spürte einen Schweißtropfen auf meiner<br />

Stirn, der sich seine Bahn suchte, über<br />

meinen Nasenrücken bis zur Spitze lief und<br />

dann herunterfiel. Endlich löste sich die Starre,<br />

die meinen Körper befallen hatte, und ich<br />

wischte mir die Stirn. Dabei betrachtete ich<br />

den zweiten Chip auf dem Schreibtisch genauer.<br />

Ein leicht rötlicher Schimmer im Schein<br />

der Lampe machte mich stutzig.<br />

Ich wandte mich an Rundé, der fasziniert<br />

Atembé bei der Computerarbeit zusah, und<br />

sagte: „Ich muss mal an die frische Luft.“<br />

Dabei zerrte ich ihn mit.<br />

Er wehrte sich nur schwach.<br />

In der sengenden Sonne vor dem Bunker<br />

entließ ich Rundé aus meiner Umklammerung.<br />

„Was ist, Marco?“, fragte er unwirsch und<br />

rieb sich dabei den rechten Arm.<br />

198 c’t 2009, Heft 2<br />

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