Die Geschichte des Seyns (GA 69) - gesamtausgabe
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59. <strong>Die</strong> Macht »braucht« Macht (Gewalt)<br />
Das Brauchen ist zweideutig. <strong>Die</strong> Macht bedarf der Macht als<br />
eines Mittels, um Macht zu sein. Wenn die Macht sich selbst in<br />
den Gebrauch nimmt und sich verbrauchen muß, dann wird die<br />
Macht zur Gewalt. Allein, die Gewalt ist nicht notwendig und<br />
je<strong>des</strong>mal Gewalttat, jedoch immer ein Erzwingen. <strong>Die</strong> in ihrem<br />
Zwingen nicht entbundene Gewalt, die zu einem blinden Stoßen<br />
und Sperren nicht abartet, ist gleichwohl Gewalt und so nichts<br />
anderes als die von der Macht benötigte und in Gebrauch<br />
genommene aber gebändigte oder verschleierte Verzwingung in<br />
das Unfreie.<br />
<strong>Die</strong> Macht bedarf jedoch der Macht (Macht gebrauchender<br />
Machtausübung) nicht nur als eines Mittels, sondern »braucht«<br />
sich selbst (hat sich selbst nötig) als das Ziel. Denn die Macht<br />
selbst ist es, die sich zur Geltung und »an die Macht« bringen<br />
muß. Und diese Übermächtigung ihrer selbst ist der ihr eigene<br />
Überfluß der eigenen Leere. Sie ist in solcher Weise in sich über<br />
sich überflüssig und zugleich je ihrer selbst als eines Mittels<br />
bedürftig.<br />
Darin, daß die Macht wesenhaft zugleich Ziel und Zweck und<br />
Mittel und Vermittelung ist, bestreitet sie den Wesensbestand<br />
<strong>des</strong>sen, was zum einrichtenden Herstellen und zur Machsamkeit<br />
überhaupt gehört. Sie erweist darin ihren Grundzug, das Wesen<br />
der Wirksamkeit als der Wirklichkeit auszumachen.<br />
Jede Machtausübung, durch die nicht nur eine »Gewalt« wie<br />
ein verfügbarer »Wirkstoff« angewendet wird, versetzt erst das<br />
Seiende in den Machtbezirk und bestimmt das Seiende in seinem<br />
Machtcharakter. <strong>Die</strong>s geschieht auch dann, wenn das Seiende<br />
gewalttätig unterworfen und »entmachtet« wird.<br />
Jeder Macht-anspruch und jede Art seiner Behauptung bedarf<br />
aber gerade <strong>des</strong>halb, weil in ihnen eine eigene Seinsart entspringt<br />
und damit eine Befremdung und Bestürzung und dadurch eine<br />
Schwächung der Macht selbst droht, eines Vorwan<strong>des</strong>, durch<br />
den das wesenhafte Gewaltwesen der Macht<br />
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