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JAHRBUCH - Glowfish

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186 A. Maeder.<br />

arretiere ihn, es seien Männer auf der Straße, Polizisten, die auf ihn warten;<br />

in der Nacht machte er Hausuntersuchungen mit seiner Frau, um sich zu<br />

überzeugen, daß man das Geld nicht heimtückisch ins Haus gebracht hatte,<br />

um ihn verdächtig zu machen. Er fing an, sich vom politischen Leben<br />

zurückzuziehen, ging von da an unregelmäßig zur Arbeit, klagte viel über<br />

Kopfschmerzen (an der Stirne, am Scheitel), gab den Mitgliedern des Verwaltungsrates<br />

ungern Auskunft, so daß er deshalb etwas auffiel.<br />

Im Sommer 1901 ging er zur Kur nach Churwalden. Im Oktober<br />

desselben Jahres nach Lugano auf Kat des Arztes, Er brauchte daselbst<br />

ziemlich viel Geld, sprach vom Ankauf einer schönen Villa, wozu er kein<br />

Kapital besaß. Er war in der Nacht unruhig, mußte auf Bitte des Wirtes<br />

abgeholt werden.<br />

Dann fing er plötzlich an, am Sonntag in Zylinder und schwarzem<br />

Eock in die Kirche zu gehen und ließ für seine Eltern schöne Grabsteine<br />

setzen. Er schlief ein paar Nächte in einem sehr teuern Hotel. Er wurde<br />

der Familie gegenüber sehr gleichgültig, ärgerte sich manchmal über die<br />

Frau, was früher nie der Fall war. Er war bis dato ein sehr guter Mensch<br />

gewesen; jetzt fing er plötzlich an, von Scheidung zu sprechen; er müsse<br />

auf höheren Befehl eine andere heiraten; ,,Frau und Kinder werden dann<br />

eine Pension bekommen". März 1902 schrieb er der Königin Wilhelmine<br />

und bat sie um eine Stelle.<br />

Für die Louis d'or hatte er damals einen echten Kultus, wollte kein<br />

Gold mehr ausgeben.<br />

Wegen dieser Wahnideen und der zunehmenden Gleichgültigkeit der<br />

Familie gegenüber, der Pupillendifferenz usw., wurde er zwecks Beobachtung<br />

mit der Diagnose Progressive Paralyse in der Anstalt interniert (5. Mai<br />

1902).<br />

Er war bei der Aufnahme orientiert in Zeit und Raum. Die Auffassung<br />

war gut, die Merkfähigkeit und das Gedächtnis ebenso. Eine<br />

Intelligenzprobe bestand er gut. Affektivität abnorm: gleichgültige<br />

Stimmung, stumpfe Euphorie. Wahnideen (er sei der morganatische<br />

Mann der Königin Wilhelmine, habe sie mehrmals in Zürich und Umgebung,<br />

sogar im Eisenbahncoupe 3. Klasse getroffen. Beziehungsideen. Er deutet<br />

alles um, bezieht die harmlosesten Bemerkungen auf sich. Größenideen:<br />

er stamme aus der Orleansfamilie; sei auch ein Sohn von Napoleon I.;<br />

seine Frau stamme aus dem katholischen belgischen Königshause. Sinnestäuschungen:<br />

Er höre Stimmen von ,, einem Weibe", habe das körperliche<br />

Gefühl der Anwesenheit der Königin Wilhelmine. — Gab frühere Visionen<br />

zu (beim Tode der Mutter), auch später in 0. habe er in der Nacht Generalmarsch<br />

blasen hören; er sei auf den Friedhof gegangen, habe aber nichts<br />

gesehen, als ein leuchtendes Ding am Grabsteine seiner Mutter, es sei wie<br />

ein Stern gewesen. Pupillendifferenz vorhanden; Reaktion beiderseits<br />

prompt. Körperlich nichts Abnormes, außer lebhaften Sehnenreflexen.<br />

Er wurde am 10. Juli 1902 als ungebessert entlassen mit der Diagnose:<br />

Dementia praecox (paranoide Form). Zu Hause blieb er unbeschäftigt,<br />

saß die längste Zeit in seinem Zimmer mit geschlossenen Läden,<br />

aß immer für sich; in den letzten Monaten vor der zweiten Internierung

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