Herunterladen PDF - Insieme
Herunterladen PDF - Insieme
Herunterladen PDF - Insieme
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die psychischen Probleme von Herrn B. haben Auswirkungen auf das Familienleben. Er ist wenig<br />
belastbar und kann sein traditionelles Rollenbild nicht erfüllen, nach dem er das Geld verdienen und die<br />
Entscheidungen treffen würde. Diese Inkongruenz führt zu einer Unzufriedenheit mit sich selber, die er auf<br />
andere abzuwälzen versucht. So wird die Betreuung der Familie stark von den Problemen des Vaters<br />
beeinflusst.<br />
Ein weiterer Problembereich sieht Frau Birke in der Gefährdung des Kindes. Sie kann aus Erfahrungen<br />
berichten, dass bei einer Überforderung der Eltern in einer spezifischen Situation eine Gefährdung des<br />
Kindes besteht. Diese Situationen zu vermeiden bedeutet eine grosse Verantwortung für die<br />
Betreuungspersonen.<br />
Als eine ihrer Grenze als Betreuungsperson nennt Frau Birke die Differenz zwischen ihrer Vorstellung von<br />
Kindererziehung und der Möglichkeiten der Eltern. Es bleiben viele Unzulänglichkeiten, welche die<br />
Verantwortung der Betreuungspersonen erhöhen, obwohl Bettina liebevolle und einfühlsame Eltern hat.<br />
Bezüglich der Verantwortung, so Frau Birke, steht der externe Entscheid fest, dass Bettina bei den Eltern<br />
aufwachsen soll, obwohl bekannt ist, dass die Eltern eine Behinderung und Lebensprobleme haben. Frau<br />
Birke hat den Auftrag das Beste aus der Situation zu machen. Sie hat die Verantwortung für Leib und<br />
Leben, für Erziehung und Schutz des Kindes, sowie besteht eine Meldepflicht an die Beistände, falls die<br />
Betreuungssituation nicht erfolgreich verlaufen sollte.<br />
Frau Birke steht in keinem Konkurrenzverhältnis mit den Eltern. Sie beobachtet dies ab und zu bei anderen<br />
Betreuungspersonen, wobei ihr die Motive unklar sind.<br />
Perspektiven der Betreuungssituation<br />
Die Verbesserung der Betreuungssituation ist laut Frau Birke immer Thema. Die Betreuungssituation der<br />
Familie innerhalb der Wohngruppe ist akzeptabel, aber es wird nach einer besseren Wohnsituation gesucht.<br />
Es wurden von Frau Birke Wohnmöglichkeiten in Betracht gezogen, welche aber nicht verwirklicht<br />
wurden. Der Wunsch der Eltern ist dahingehend, dass sie in einer Dreizimmerwohnung leben möchten. Ein<br />
Projekt war die Miete einer Wohnung im Dorf durch die Institution. Die Familie hätte mit ambulanter<br />
Betreuung selbständig dort gewohnt. Für Frau Birke sprachen die auf ihr lastende Verantwortung und eine<br />
Einschätzung eines Kinder- und Jugendpsychiaters dagegen. Dieser meinte, dass die Familie bis zur<br />
Schulreife des Kindes in einer betreuten Wohnform leben sollte, in der 24 Stunden unmittelbar Hilfe<br />
erreichbar wäre. Ein anderes Projekt war die Umsiedlung der Familie in eine Heilpädagogische<br />
Grossfamilie, die eine besser geeignete Wohnform für Sandra darstellen würde. Der erneute<br />
Beziehungsaufbau zu neuen Betreuungspersonen sprach dagegen.<br />
Aktuell wird über die Einrichtung einer gebäudeinternen Wohnung mit Anschluss an die Institution<br />
gesprochen. Die Institution übernimmt weiterhin die Betreuung und Einzelbegleitung der Eltern und die<br />
Betreuungspersonen sind in Notsituationen erreichbar. Familien- und Erziehungsfragen möchte Frau Birke<br />
wenn möglich abkoppeln und so beispielsweise die Familienberatung der Pro Juventute einbinden.<br />
Fachberatung/ Koordinationsstelle<br />
Frau Birke bezeichnet die Umsetzung der Betreuung als schwierig. Fachliche Beratung bekommt sie an<br />
verschiedenen Stellen, wie dem Jugendamt, in der Familienberatung, in der Supervision und bei einem<br />
Kinder- und Jugendpsychiater. An weitere Informationen gelangt sie durch das Internet und über Literatur.<br />
Wünschenswert wäre für Frau Birke ein Ort, an dem Fachwissen und Adressen von Fachpersonen<br />
spezifisch zur Betreuung von Eltern mit geistiger Behinderung und deren Kinder zusammenkommt. Diese<br />
Koordinationsstelle könnte zudem Beratung für betroffene Institutionen anbieten, Soforthilfe bei konkreten<br />
Fragen anbieten, sowie einen Erfahrungsaustausch ermöglichen.<br />
Einstellung der Betreuungsperson zu Kinderwunsch, Elternschaft allgemein<br />
Frau Birke hat grundsätzlich eine positive Einstellung zu Elternschaften von Menschen mit geistiger<br />
Behinderung. Sie ist der Meinung, dass eine Betreuungsform für die ganze Familie gefunden werden sollte,<br />
wenn ein Kind da ist. Bei einem Kinderwunsch eines Paares würde sie aber eher zurückhaltend reagieren,<br />
da zurzeit noch nicht die geeigneten Unterstützungsmöglichkeiten, Infrastruktur und Fachwissen zur<br />
Verfügung stehen. Man würde, so Frau Birke, Probleme bewusst fördern. Eine verantwortungsvolle<br />
Begleitung bezüglich Kinderwunsch und Elternschaft könnte sie sich vorstellen, wenn ein grosser<br />
Kinderwunsch eines Paares besteht, eine ressourcenorientierte Unterstützung gewährleistet werden kann<br />
und die Verantwortung gegenüber dem Kind von Anfang an klar ist.<br />
Das Recht auf Elternschaft basiert für Frau Birke auf dem Menschenbild. Jedes Lebewesen, das<br />
Verantwortung für andere übernehmen kann, hat das Recht auf Kinder. Die Gesellschaft hat die<br />
Verpflichtung, die Umsetzung dieses Rechts durch Unterstützungsmöglichkeiten und Finanzierung zu<br />
Unterstützen. Frau Birke hat beobachtet, dass zurzeit nur Menschen mit geistiger Behinderung Kinder<br />
haben, die es sich erzwingen. Für sie wäre ein Mittelweg zwischen dem Erzwingen und der<br />
Selbstverständlichkeit einer Elternschaft die beste Lösung.<br />
178