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Zweiter Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern ...

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SITUATIONSANALYSE: 3. Bildung<br />

3 BILDUNG<br />

Situationsanalyse von:<br />

Bernhard Nagel, Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik<br />

(Abschnitt 3.1), Qualitätsagentur am Staats<strong>in</strong>stitut für<br />

Schulqualität und Bildungsforschung (Abschnitt 3.2),<br />

Ralph Conrads, Internationales Institut für Empirische<br />

Sozialökonomie (Abschnitte 3.3 und 3.5), Bayerisches<br />

Staatsm<strong>in</strong>isterium für Wissenschaft, Forschung und<br />

Kunst (Abschnitt 3.4),<br />

Mitarbeit: Stefan Böhme, Institut für Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung, Ernst Kistler, Thomas Staud<strong>in</strong>ger,<br />

Andreas Streng, Internationales Institut für Empirische<br />

Sozialökonomie<br />

3.1 Frühk<strong>in</strong>dliche Bildung<br />

E<strong>in</strong>führung<br />

Es ist heute unbestritten, dass frühk<strong>in</strong>dliche Bildung und<br />

Erziehung für die späteren Lebenschancen von wesentlicher<br />

Bedeutung s<strong>in</strong>d. Bereits <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Empfehlungen<br />

von 1970 und 1973 postulierte <strong>der</strong> Deutsche Bildungsrat<br />

den Bildungsauftrag des K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartens. In <strong>Bayern</strong> wurde<br />

das Bayerische K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartengesetz (BayKiG) 1972 explizit<br />

als Bildungsgesetz erlassen.<br />

In <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion wird teils recht pauschal<br />

davon ausgegangen, dass e<strong>in</strong>e möglichst frühe <strong>in</strong>stitutionelle<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung u. a. die Entwicklungschancen <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> generell positiv bee<strong>in</strong>flussen könnte o<strong>der</strong> würde.<br />

Der Besuch e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung – vor allem <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren – wird hierbei als Instrument angesehen,<br />

z. B. unabhängig von sozialer Herkunft o<strong>der</strong> Geburtsland<br />

den Zugang zum Bildungssystem positiver zu<br />

gestalten. Es wird zwar häufig von positiven Effekten<br />

vorschulischer Bildungs- und Betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />

berichtet, aufgrund von fehlenden Langzeitstudien <strong>in</strong><br />

Deutschland, die aus <strong>der</strong> Wissenschaft schon seit Jahren<br />

gefor<strong>der</strong>t werden, können die Effekte des Besuchs von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen allerd<strong>in</strong>gs noch nicht h<strong>in</strong>reichend<br />

empirisch belegt werden. Den bisherigen Untersuchungen<br />

fehlt entwe<strong>der</strong> die adäquate Datenbasis o<strong>der</strong> sie<br />

s<strong>in</strong>d re<strong>in</strong> deskriptiv (Bied<strong>in</strong>ger/Becker 2006: 24). Allerd<strong>in</strong>gs<br />

kann man von e<strong>in</strong>em nachweislich positiven E<strong>in</strong>fluss<br />

auf den Zugang <strong>zur</strong> Grundschule ausgehen. Der<br />

3. Armuts- und Reichtumsbericht <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

(S. 98) stellt fest: „Sprachfähigkeit, soziale Kompetenzen<br />

und elementare Grundfertigkeiten werden bereits <strong>in</strong> den<br />

ersten Lebensjahren vor dem Übergang <strong>zur</strong> Schule vermittelt.<br />

Der Besuch e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte hat nachweislich<br />

positiven E<strong>in</strong>fluss auf den Zugang <strong>zur</strong> Grundschule.<br />

[Eltern mit e<strong>in</strong>em niedrigen Qualifikationsniveau fällt es<br />

aufgrund fehlen<strong>der</strong> eigener Erfahrungen deutlich schwerer<br />

als an<strong>der</strong>en, ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Schulalltag zu unterstützen.<br />

Dies macht sich bereits vor dem Schule<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sprachentwicklung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bemerkbar.] Die Verwirklichungschancen<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus bildungsfernen Familien<br />

s<strong>in</strong>d dadurch oftmals schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundschule ger<strong>in</strong>ger.<br />

Zudem schaffen sie seltener den Übergang auf das Gymnasium.“<br />

Auch Ergebnisse <strong>der</strong> IGLU-Studie (Bos u. a. 2007)<br />

sowie Befunde e<strong>in</strong>er jüngsten Untersuchung, von <strong>der</strong><br />

Kratzmann und Schnei<strong>der</strong> (2008) berichten, sprechen für<br />

e<strong>in</strong>en frühen K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenbesuch, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

aus bildungsfernen Elternhäusern und bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund. Es gibt H<strong>in</strong>weise darauf, dass<br />

die kompensatorische Wirkung des Besuchs e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung<br />

bezüglich <strong>der</strong> Lesefähigkeit, <strong>der</strong> Kompetenzentwicklung<br />

und z. B. h<strong>in</strong>sichtlich des Risikos <strong>der</strong><br />

Rückstellung beim Übertritt <strong>in</strong> die Grundschule bedeutsam<br />

ist, allerd<strong>in</strong>gs erst bei längerem Besuch. In <strong>in</strong>ternationalen<br />

Studien (aus den letzten Jahren z. B. NICHD 2005,<br />

2006; Belsky 2007 o<strong>der</strong> auch etwas früher: Consortium of<br />

Longitud<strong>in</strong>al Studies 1983) wird von positiven Effekten<br />

vor allem bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus sozial benachteiligten Familien<br />

(bildungsfern, schwächere Erziehungskompetenz)<br />

berichtet, was auch für die Bundesrepublik und <strong>Bayern</strong><br />

grundsätzlich angenommen werden kann. Voraussetzung<br />

für diese Effekte s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs vermutlich e<strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichend<br />

langer Besuch <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtung sowie<br />

e<strong>in</strong>e hohe Qualität <strong>der</strong> pädagogischen Maßnahmen.<br />

Auf die Bedeutung <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>zur</strong><br />

frühk<strong>in</strong>dlichen Bildung weist auch die Expertise für die<br />

Enquête-Kommission „Chancen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>“ des Landtages<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen (Carle 2008: 95) h<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

diese Qualität für erfolgsentscheiden<strong>der</strong> gehalten wird<br />

als <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ort als Institution.<br />

Man muss davon ausgehen, dass die Effekte von Bildung,<br />

Erziehung und Betreuung <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

nicht unabhängig von <strong>der</strong> Bildung und Erziehung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Familie bewertet werden können. Interaktionswirkungen<br />

zwischen familiärer und außerfamiliärer Betreuung werden<br />

bereits konsequenter <strong>in</strong> den Blick <strong>der</strong> Forschung genommen<br />

(Ahnert 2007: 396). So wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> englischen<br />

EPPE-Studie („Effective Provision of Preschool Education“),<br />

<strong>der</strong> größten aktuellen Längsschnittstudie <strong>in</strong> Europa<br />

<strong>zur</strong> Entwicklung fremdbetreuter K<strong>in</strong><strong>der</strong> und <strong>zur</strong> Auswirkung<br />

von außerhäuslicher Betreuung, e<strong>in</strong>erseits auf die<br />

positiven Effekte von K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesbetreuung h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

an<strong>der</strong>erseits auch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> häuslichen<br />

Erziehung und die Bedeutung e<strong>in</strong>er guten Kooperation<br />

und Abstimmung mit den Eltern betont (vgl. z. B. Sylva u.<br />

a. 2003, 2004a, 2004b; Sammons u. a. 2007).<br />

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