19.11.2012 Aufrufe

Pressemitteilung

Pressemitteilung

Pressemitteilung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das andere Kind<br />

Das andere Kind<br />

Das andere Kind<br />

7,3 Prozent der Schulkinder besuchen in Thüringen eine Förderschule. Vor zehn Jahren<br />

waren es fünf Prozent. Als Ursache nennen Experten, dass Lehrer zunehmend mit Schülern<br />

nicht klar kommen, die anders sind.<br />

THÜRINGEN. Richard gab allen Rätsel auf. In der Grundschule fand er keine Freunde. Er<br />

brach alle Kontakte zu Mitschülern ab, sprach nicht mehr, verweigerte alles. Die anderen<br />

Kinder lehnten ihn bald ab. Seine Lehrerin kam an ihn nicht heran und grübelte: "Was ist<br />

los? Kommt er denn mit?" Sie sah etwas und wusste doch nicht, was es ist.<br />

Die erfahrene Lehrerin schickte den Jungen aber weder in eine Förderschule noch ließ sie<br />

die Sache laufen. Sie meldete sich zu einer Fortbildung am Institut für Pädagogische<br />

Diagnostik in Erfurt an. Denn rasch war klar: Richard war normal intelligent, aber sie<br />

erkannte seinen "sozialen Code" nicht.<br />

Für zwölf Grundschullehrer läuft an diesem Institut nun im zweiten Jahr ein Pilotprojekt,<br />

gefördert durch das Kultusministerium. Hier wird ein neuer Ansatz zur Beurteilung<br />

schwieriger Kinder vermittelt. "Nicht dauernd auf das pochen, was ein Kind alles nicht kann,<br />

sondern seine Bedürfnisse, Möglichkeiten kennen lernen und damit arbeiten", erläutert<br />

Institutsleiterin Susanne Wiese.<br />

Da ist ein besonders begabtes Kind, das aggressiv ist und den Unterricht ständig stört. Oder<br />

ein Mädchen mit Down-Syndrom, das sehr gut malen kann. Könnte es schreiben lernen, an<br />

einer normalen Schule? "Der Blick für vermeintlich Normales wird enger, Kinder fallen durch<br />

Raster, werden ausgesondert", so Susanne Wiese.<br />

Je zwei Lehrer kommen seitdem an je einem Tag pro Woche, mit Kindern und deren Eltern.<br />

Sie theoretisieren nicht, für konkrete, lebendige Kinder wird nach Ursachen geforscht, Hilfe<br />

erdacht, Lernmaterial speziell für das Kind hergestellt.<br />

Der Aufwand ist groß. Kritik, dass es derzeit im Freistaat fast so viel Förderschulen wie<br />

Gymnasien gibt, hat selbst das Kultusministerium erreicht. Auch dass Kinder zwar rasch in<br />

Förderschulen geschickt werden, aber fast nie zurück an normale Schulen gehen. Dennoch<br />

wird die Förderung der alternativen Lehrer-Fortbildung vom Land ab Juni eingestellt. Zu<br />

teuer. Die zwölf Grundschullehrer sollen nun als "Multiplikatoren" wirken - für 5000 Kollegen.<br />

Richard hat übrigens seit kurzem einen Freund. Im Unterricht macht er jetzt richtig mit. Das<br />

Geld war gut angelegt.<br />

30.04.2007 Von Angelika REISER-FISCHER<br />

http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070502065554/index.html [16.05.2007 22:35:10]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!