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Krankheitsfälle nehmen zu (Hintergrund / Video) 27.04.2007<br />
Krankheitsfälle nehmen zu (Hintergrund / Video) 27.04.2007<br />
27.04.2007 Krankheitsfälle nehmen zu (Hintergrund / Video) Zecken nun auch winteraktiv -<br />
Thüringer nutzen Impfung zu wenig<br />
VON REDAKTIONSMITGLIED EIKE KELLERMANN<br />
„Jetzt fühlt sich die Zecke am wohlsten“, sagt Jochen Süss, Professor am Jenaer Friedrich-<br />
Loeffler-Institut. Hohe Luftfeuchtigkeit und angenehme Temperaturen treiben den<br />
Blutsauger um. Er ist auf der Suche nach neuen Wirtstieren.<br />
ERFURT – In Wald, Wiese und Garten wird das kleine Spinnentier mit dem lateinischen<br />
Namen Ixodes ricinus immer öfter gesichtet. Kaum jemand, der dann nicht ein gewisses<br />
Frösteln verspürt.<br />
>>> Zecken profitieren vom Klimawandel (mit Video)<br />
Eigentlich gut so: Denn als Überträger schwerer Krankheiten gilt der Gemeine Holzbock den<br />
Wissenschaftlern als „das gefährlichste Tier in Thüringen“. Das lässt sich mühelos auf andere<br />
Bundesländer übertragen. Zecken klettern inzwischen auf Mittelgebirge und kämpfen sich<br />
nach Norden vor. So habe man eine bisher am Mittelmeer vorkommende Art in<br />
Norddeutschland entdeckt, sagt Süss. Und selbst kalte Regionen bleiben nicht verschont:<br />
200 Kilometer vom Polarkreis entfernt wurden Zecken in Finnland festgestellt. Der<br />
Klimawandel sorgt für ein verändertes Verhalten der Tiere. „Die Zecken haben vorigen<br />
Winter komplett durchgemacht“, sagt der Jenaer Wissenschaftler. So habe man bei einer<br />
brandaktuellen Studie Tiere beobachtet, die den gesamten Winter auf der Suche nach einem<br />
Wirtstier waren. Üblicherweise war dieser Drang bisher auf den Zeitraum von Frühjahr bis<br />
Herbst beschränkt.<br />
Kein Wunder, dass die Krankheitsfälle explodieren. Neben einer Vielzahl von Bakterien und<br />
Viren überträgt die Zecke vor allem die Erreger von Lyme-Borreliose und Frühsommer-<br />
Meningoenzephalitis (FSME). Ein vorsorgender Impfschutz wirkt gegen die FSME. Diese<br />
gefährliche Erkrankung des Nervensystems hat mit 546 Fällen in Deutschland im vorigen<br />
Jahr ihren höchsten Stand erreicht. 129 Landkreise werden als Risikogebiete eingestuft. In<br />
Thüringen betrifft das Gera, Jena, Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Saalfeld-<br />
Rudolstadt, Sonneberg und Hildburghausen.<br />
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Ein Pflegefall<br />
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Der Neurologe Georg Hagemann hat am Jenaer Universitäts-Klinikum einen Patienten mit<br />
einem schweren Fall von FSME behandelt. Ein 51-jähriger Handwerker, gesund und mitten<br />
im Leben stehend. Inzwischen ein Pflegefall. Rund einen Monat nach dem Zeckenstich erlitt<br />
der nicht geimpfte Mann Lähmungen und epileptische Anfälle. Üblicherweise beginnt die<br />
Krankheit mit ähnlichen Symptomen wie bei einer Grippe, also Fieber, Kopf- und<br />
Muskelschmerzen. Der Patient kam auf die Intensivstation. Nachdem die akute Phase<br />
überstanden war, brachte er Monate in einer Rehabilitationsklinik zu. Fast zwei Jahre nach<br />
dem Zeckenstich kann er heute nur mit Hilfe stehen, nicht gehen und seine Hände lediglich<br />
für einfache Tätigkeiten benutzen.<br />
„Eine gute Schutzmöglichkeit vor FSME ist die Impfung“, rät deshalb Reinhard Böhner vom<br />
Erfurter Gesundheitsamt. Die drei Spritzen der Grundimmunisierung, die in längeren<br />
Abständen aufgefrischt werden muss, hätten „normalerweise“ keine Nebenwirkungen. Auch<br />
eine Schnellimmunisierung sei in kürzester Zeit möglich. Die Kassen übernhemen die Kosten,<br />
wenn man in einem Risikogebiet wohnt oder dorthin reist.<br />
Es wäre also ganz einfach, sich zu schützen. Aber die Thüringer nutzen dies kaum. Nur rund<br />
15 Prozent der Bevölkerung hatten 2006 eine vollständige Grundimmunisierung, sagt Frank<br />
Weidle von der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung. Vor allem die mittleren<br />
Jahrgänge und dabei besonders Männer sind der Studie Weidles zufolge impfscheu.<br />
Doch offenkundig ist die Impfung derzeit die einzige Möglichkeit, sich zu schützen. Es gibt<br />
nichts, was die Zecken aufhalten oder eindämmen könnte. In der DDR wurde es mit dem<br />
Insektizid DDT versucht, was die Population eher noch stärkte. In den USA gibt es spezielle<br />
Boxen, in denen dem Hauptwirt Maus die Zecken abgebürstet werden sollen. Für Professor<br />
Süss vom Jenaer Löffler-Institut sind das alles nur „hilflose Versuche“.<br />
http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070501220808/index.html [16.05.2007 22:34:59]