Pressemitteilung
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Fernsehverbot und Stubenarrest<br />
Fernsehverbot und Stubenarrest<br />
Fernsehverbot und Stubenarrest<br />
Martin Luther soll geraten haben, zur Kindererziehung neben einen Apfel die Rute zu legen.<br />
Fernsehverbot, ein Klaps oder eine Ohrfeige sind oft noch Erziehungshelfer. Doch es ändert<br />
sich was.<br />
THÜRINGEN. Frech gewesen? Vaters Kippen geraucht? Schule geschwänzt? Bestrafen und<br />
Erziehen gehören für viele Eltern zusammen. Der Katalog ist groß. Nicht von ungefähr wurde<br />
der heutige Tag der gewaltfreien Erziehung eingeführt. Eine Untersuchung des Jenaer<br />
Erziehungswissenschaftlers Prof. Roland Merten ergab: Der Klaps auf den Po ist weiterhin<br />
der Spitzenreiter unter den reglementierenden Erziehungsmaßnahmen, gefolgt vom<br />
Fernsehverbot, einer leichten Ohrfeige und Ausgehsperre.<br />
Immerhin: Zwei von hundert Kindern bekommen noch eine richtige Tracht Prügel mit<br />
Bluterguss, drei die Rute auf den Hintern, fast ebenso viele Stockschläge auf die Finger.<br />
Merten hat über zehn Jahre Erziehungsmaßnahmen von Eltern beobachtet und festgestellt:<br />
Zwischen Ost und West gibt es keine Unterschiede. Und: Die Sinnlosigkeit vieler Strafen sei<br />
Eltern oft nicht bewusst. Mag auch sein, manche reagieren an Kindern einfach nur Frust ab.<br />
Den größten Rückgang stellte Merten bei "Kind niederbrüllen", "nicht mehr mit dem Kind<br />
reden" und "schallende Ohrfeige" fest. Warum immer noch so oft auf den Po gehauen wird,<br />
ist ihm rätselhaft. Insgesamt aber werde weniger bestraft.<br />
Warum ist das so? Reagieren Eltern aus Bequemlichkeit nicht mehr so heftig auf aufmüpfige,<br />
ungehorsame oder faule Kinder? Keineswegs, sagt Merten. Er sieht Zusammenhänge mit<br />
dem Wandel der Erziehungsziele der Eltern. Noch Anfang der 50-er legte fast die Hälfte der<br />
Erziehenden auf Ordnungsliebe und Fleiß größten Wert. Gehorsam und Unterordnung, freier<br />
Wille und Selbstständigkeit galten da weniger. Zu Beginn der 90er-Jahre stellte sich das<br />
anders dar. Da wünschten sich zwei Drittel der Eltern für ihre Kinder als Wichtigstes freien<br />
Willen und Selbstständigkeit. Gehorsam und Unterordnung zählten kaum noch.<br />
Es gebe Veränderungen vom Befehlen zum Verhandeln, so Merten. Zwar verlangte<br />
Pestalozzi schon im 19. Jahrhundert, "Züchtigung von Kindern" zu verbieten. Immerhin ist<br />
sie seit November 2000 durch eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch in Deutschland<br />
ausdrücklich abgeschafft. Fälle, wo Kinder ihre Eltern verklagten, sind Merten unbekannt.<br />
Dieser Tage wurde in Nordhausen ein Vater verurteilt, der seinem schreienden Kind aus Wut<br />
das Bein verdrehte und brach - es war sieben Monate alt. Fragwürdige Erziehung.<br />
29.04.2007 Von Angelika REISER-FISCHER<br />
http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070430215508/index.html [16.05.2007 22:35:21]