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„Ich wollte einfach nur tot sein.“ Mobbing an der Schule<br />

„Ich wollte einfach nur tot sein.“ Mobbing an der Schule<br />

13.05.2007 19:00<br />

„Ich wollte einfach nur tot sein.“ Mobbing an der Schule<br />

Text: anna-tillack<br />

Seit Februar läuft die bundesweite Aktion „Mobbing - Schluss damit“. Eltern, Kinder und<br />

Lehrer können auf der Seite mobbing.seitenstark in Online - Fragebögen Rede und Antwort<br />

stehen. Die Resonanz ist mit 1500 Besuchern pro Tag hoch, die Initiatoren sind zufrieden.<br />

Dass an Schulen gemobbt wird, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Dennoch scheint das<br />

Problemfeld nicht brachzuliegen wie so viele andere, denn es hat sich was getan in der<br />

letzten Zeit. Betroffene finden im Netz zunehmend Gehör, können in immer mehr Foren<br />

anonym über ihren Kummer sprechen, Infomaterial downloaden oder eines der zahlreichen<br />

Helpdesks aufrufen. Und so werden schrittweise Fortschritte erzielt, denn wenn die Schritte<br />

bislang auch klein sind, so stimmt zumindest die Richtung. Der Hauptschullehrer Werner<br />

Ebner aus Baden Württemberg ist vor einigen Jahren auf eigene Faust losgezogen und hat<br />

die Internetplattform schueler-mobbing zur Verfügung gestellt.<br />

Mittlerweile gibt es 600 Themenbereiche und über 4000 Beiträge, zu denen man sich äußern<br />

kann.<br />

„Ich wollte einfach nur tot sein“, liest man im Blog einer Jugendlichen. Die Ursache für diese<br />

gänzlich entmutigt und verzweifelt klingende Aussage ist nicht in einem schwerwiegenden<br />

Schicksalsschlag zu suchen, wie der unwissende Forumsgast vermuten könnte. Vielmehr ist<br />

es der ganz normale Wahnsinn, der tägliche Schulalltag, der das Mädchen in eine derartige<br />

Verfassung stürzte.<br />

Für Betroffene stellt die Plattform einen Lichtblick dar, denn hier finden sie Gehör und<br />

Unterstützung. In jedem zweiten Forumsbeitrag liest man von Angstzuständen,<br />

Schweißausbrüchen, Händezittern, Stottern und Appetitlosigkeit. Ein Forumsgast spricht<br />

seine Peiniger direkt an:<br />

„Heute schreibe ich euch hier, damit ihr wisst, was ihr mir jeden Tag aufs Neue antut. Jeden<br />

Morgen, wenn ich aufstehe, frage ich mich, was ihr euch wieder für mich ausgedacht habt.<br />

Wie ihr es diesmal wohl wieder schafft, das ich am Abend weinend auf meinem Bett liege<br />

und das Verlangen bekämpfe, mir die Pulsadern aufzuschlitzen.“<br />

Der Hauptschullehrer Werner Ebner erzählt von einer 15-jährigen Schülerin, die durch<br />

Mobbing ein körperliches und geistiges Wrack wurde, „innerlich und äußerlich unbeweglich,<br />

völlig starr wie bei einer Lähmung“. Es war ein langer Weg, bis das Mädchen wieder<br />

halbwegs hergestellt war: „Der erste Schritt ist natürlich raus aus der Schule, dann folgt<br />

medizinische Unterstützung und schließlich psychologische Betreuung.“ Werner Ebner hat es<br />

sich zum Ziel gemacht, Mobbing zu bekämpfen und deshalb auch die Plattform im Internet<br />

zur Verfügung gestellt. Bereits seit einigen Jahren können Schüler mit all ihrer Verzweiflung<br />

also online gehen, sich über Mobbing an sich informieren, ihren Schmerz und ihre Wut offen<br />

äußern und außerdem professionelle Hilfe unter dem sogenannten „Mobbing Help Desk“ in<br />

Anspruch nehmen. Ebner erinnert auch daran, „dass es in jeder Stadt kostenlose<br />

Beratungsstellen gibt, bei denen man anonym bleibt.“<br />

Eine Klassifizierung des typischen Opfers ist schwierig, was Werner Ebner auch in der<br />

Dokumentation seiner langjährigen Arbeit zeigt. Da heißt es als Fazit: „Opfer sein kann<br />

jeder!“ Der Schulalltag zeigt allerdings, dass schwache und stille Schüler prädestiniert sind,<br />

Opfer des Mobbing zu werden. Und der Stempel des Außenseiters wird schnell aufgedrückt.<br />

Das sind dann die, die in der Schule allein in einer Bankreihe sitzen und während der Pausen<br />

in den dunklen Gängen zurückbleiben. Sie machen sich unsichtbar, verkriechen sich wie ein<br />

gejagtes Tier. Es ist nicht leicht, das Ich von der körperlichen Hülle zu trennen, die so<br />

gehasst wird. Manchmal gelingt diese Trennung nicht mehr:<br />

„Ich bin tot, und das schon lang. Durch euch. Dadurch, das ihr mich, im Laufe der Jahre, so<br />

sehr gequält habt, dass mein Herz schwarz und kalt geworden ist. Meine Selbstachtung habe<br />

ich schon lange aufgegeben.“<br />

Jeder kennt sie, aber die wenigsten haben den Mut, den magischen Kreis zu überschreiten,<br />

den die Peiniger um das Opfer gezogen haben. Zum Einen, weil man den Unmut der Täter<br />

um keinen Preis auf sich ziehen will, und zum Anderen, weil unsere Gesellschaft gerne<br />

wegsieht. Das würden die Schüler „bei den Erwachsenen nachahmen“, weiß Werner Ebner.<br />

Er erzählt, dass nun endlich die Politik aufmerksam geworden ist. Dafür sind unter anderem<br />

die Weblogs und seine Arbeit verantwortlich, in der er all seine Projekte, Befragungen und<br />

Erfahrungen als Lehrer sorgfältig dokumentiert hat. Der Projektbericht ist als Download auf<br />

www.schueler-mobbing.de verfügbar und gibt Auskunft über die körperlichen Folgen von<br />

Mobbing, das typische Täter-Opfer Profil und jede Menge praktische Hilfestellungen, wie das<br />

Anlegen eines Mobbingtagebuchs. In einer Grafik wird dokumentiert, dass sich immerhin<br />

acht Prozent der Befragten „sehr unsicher“ in der Schule fühlen. Das Kultusministerium in<br />

Baden-Württemberg beschloss zu handeln und so gibt es inzwischen ein detailliertes<br />

Programm zur Gewaltprävention. Demnach sind derzeit 54 Stellen für Schulpsychologen<br />

vorgesehen, weitere sollen folgen. Außerdem stehen seit dem Schuljahr 2003/2004 75<br />

Gewaltpräventionsberater/innen für die Schulen zur Verfügung. Ebner begrüßt ebenso<br />

Streitschlichtungsprogramme von Schülern für Schüler, die im Schulalltag stark an Akzeptanz<br />

gewonnen haben und die steigende Zahl von Infoveranstaltungen. „Hauptansatzpunkt<br />

allerdings muss die Ausbildung der Lehrer sein, in der bei all dem Fachwissen oft die<br />

Pädagogik außen vorgelassen wird.“ Und hier wird der Hauptschullehrer fast streng, wenn er<br />

darauf hinweist, dass die Schüler mehr und mehr die Erziehungsperson in der Lehrkraft<br />

brauchen, die für die Vermittlung von Werte sorgt. Außerdem muss man erstmal lernen, mit<br />

einer derart leistungsorientierten Gesellschaft klarzukommen, die nebenbei noch fordert,<br />

schön zu sein und im Trend zu liegen. „Ganz schön viele Ansprüche, denen ein junger<br />

Mensch da genügen muss.“ Und genau darin sieht Werner Ebner auch eine beliebte<br />

Angriffsfläche für das Mobbing.<br />

Wenn man ihm glauben darf, dann ist die wirksamste Medizin „das Reden und Gehört<br />

werden“. Was ist aber, wenn ein Opfer nicht reden, oder sich nicht outen will? „Es ist<br />

Voraussetzung, dass die Schüler selber aktiv werden. Ansonsten können wir nicht<br />

eingreifen.“<br />

Mehr Info dazu gibt’s am 12. Juni in der ZDF-Doku 37 Grad um 22.15 Uhr<br />

Links zu ähnlichen Seiten:<br />

www.schueler-gegen-mobbing.de<br />

www.work-on-peace.de<br />

www.freedom-writers.de<br />

www.fassmichnichtan.de<br />

http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070514180025/index.html [16.05.2007 22:35:46]

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