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Australischer Schüler: Mobbing-Opfer erhält 600.000 Euro - SchulSPIEGEL - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten 15. Mai 2007<br />
Australischer Schüler: Mobbing-Opfer erhält 600.000 Euro - SchulSPIEGEL - SPIEGEL ONLINE -<br />
Nachrichten 15. Mai 2007<br />
15. Mai 2007<br />
AUSTRALISCHER SCHÜLER<br />
Mobbing-Opfer erhält 600.000 Euro<br />
Er wurde verhöhnt, verfolgt, verprügelt: Als Sechsjähriger litt der Australier Benjamin Cox<br />
unter brutalen Schikanen eines älteren Mitschülers, seine Lehrer griffen nicht ein. 13 Jahre<br />
später hat er nun Recht bekommen - und eine Rekordsumme als späte Entschädigung.<br />
Als Grundschüler wirkte Benjamin Cox eigentlich recht putzig - er hatte ziemlich rote Haare<br />
und ziemlich viele Sommersprossen. Für einen älteren Schüler aber war Benjamin nur eine<br />
leichte Beute. Er schikanierte den Jungen über mehrere Monate, stieß ihn gegen Mauern,<br />
peitschte ihn mit einem Ast, verfolgte und quälte ihn in jeder freien Minute.<br />
Einmal versuchte er, Benjamin seinen Pullover in den Mund zu stopfen. Als man Angela Cox<br />
zu ihrem weinenden Sohn in die Schule rief, fehlte ihm ein Zahn im Unterkiefer, seine Lippe<br />
blutete. Die Folterversuche wurden über die Zeit immer schlimmer. Im Februar 1995<br />
versuchte der verhaltensgestörte Junge sogar, Benjamin zu erdrosseln.<br />
Einzige Konsequenz: Benjamin Cox erhielt eine Abfindung vom australischen Verein für<br />
Opfer-Entschädigung. Sonst passierte nichts. Und das, obwohl sowohl die Schule als auch<br />
die Schulaufsichtsbehörde von den Vorgängen an der Woodberry Grundschule nördlich von<br />
Sydney wussten. Denn Angela Cox hatte die Lehrer immer wieder auf Benjamins Martyrium<br />
aufmerksam gemacht und sie gebeten, ihren Jungen besser zu schützen. Vergeblich.<br />
"Mobbing stärkt den Charakter"<br />
"Nachdem ich bei der Schule nicht weiterkam und weder die Lehrer noch der Direktor etwas<br />
unternahmen, wandte ich mich direkt an das Bildungsministerium", sagte Angela Cox "ABC<br />
Online". Über die Antwort, die sie dort erhielt, ist sie noch heute entrüstet: "Mobbing stärkt<br />
den Charakter", habe ihr der zuständige Beamte erklärt. Als sie dem Schulleiter mitteilte,<br />
dass sie ihren Sohn nicht weiter zur Woodberry Grundschule schicken werde, habe der nur<br />
mit den Achseln gezuckt: "Kinder kommen und gehen", sei sein Kommentar gewesen.<br />
Jetzt, 13 Jahre später, hat das Oberste Gericht des australischen Bundesstaats New South<br />
Wales Angela Cox und ihrem Sohn Recht gegeben. Richterin Carolyn Simpson warf den<br />
Behörden des Bundesstaats vor, ihre Fürsorgepflicht für Benjamin Cox sträflich<br />
vernachlässigt zu haben. Sie sprach Cox eine einmalige Zahlung von rund 132.000 Euro und<br />
eine lebenslange Rente zu. Insgesamt dürfte der heute 18-Jährige damit eine Rekordsumme<br />
von rund 600.000 Euro erhalten.<br />
"Seine Kindheit wurde völlig zerstört, nun als Erwachsener wird es ihm nicht besser gehen",<br />
sagte Simpson in der Urteilsbegründung. "Er wird nie erleben, wie es ist, einen Beruf zu<br />
haben. Er wird mit größter Wahrscheinlichkeit für den Rest seines Lebens unter Ängsten und<br />
Depressionen leiden." Der 18-Jährige sei nicht in der Lage, Beziehungen mit anderen<br />
Menschen einzugehen. "Er hat keine Freunde, und es ist unwahrscheinlich, dass sich das<br />
einmal ändert", zitiert die Zeitung "The Australian" die Richterin. Die Verantwortlichen hätten<br />
es versäumt, die nötigen Schritte zu unternehmen, um Benjamin vor dem<br />
verhaltensgestörten älteren Jungen zu schützen.<br />
Drangsaliert aus dem Hinterhalt<br />
Angela Cox hat mehreren australischen Zeitungen beschrieben, wie ihr Sohn damals unter<br />
der täglichen Tyrannei (mehr...) litt und welche Konsequenzen er auch heute noch zu tragen<br />
hat. "Benjamin hatte Angst vor Menschengruppen und vor den Lehrern", sagte sie der<br />
"Brisbane Times". Er habe sich geweigert, öffentliche Toiletten zu benutzen, weil der ältere<br />
Junge immerzu aus Türen sprang und Benjamin erschreckte - auch das Schulklo benutzte er<br />
als Hinterhalt. Die Schule habe ihr Sohn nach sieben Jahren abgebrochen, die Versuche, ihn<br />
zuhause zu unterrichten, seien gescheitert.<br />
Die Mutter beschreibt Benjamin als nervliches Wrack: Er bekam Migräne, Alpträume, fing an<br />
zu stottern, entwickelte Angstzustände. Heute leidet er unter Depressionen, Verlustängsten<br />
und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wie ein Einsiedler lebe ihr Sohn, sagte<br />
Angela Cox. Nach draußen gehe er nur selten, Freunde habe er keine. "Er schließt sich<br />
immerzu in seinem Zimmer ein und spielt Playstation."<br />
Zwar erkannte Simpson in ihrer Urteilsbegründung ein psychiatrisches Gutachten an, das<br />
belegt, dass Benjamin Cox ein besonders verletzlicher Junge mit Neigung zu Depressionen<br />
gewesen sei. Allerdings sei das Mobbing der Auslöser für die psychischen Probleme des<br />
Jungen gewesen, urteilte die Richterin laut "The Australian". Der Anwalt von Cox sagte, der<br />
Fall sei von grundsätzlicher Bedeutung und könne eine Flut von Entschädigungsklagen von<br />
Mobbing-Opfern auslösen.<br />
Ein Sprecher des Schulministeriums von New South Wales erklärte, Mobbing sei früher<br />
inakzeptabel gewesen und sei es auch heute noch. Allerdings habe man in den vergangenen<br />
13 Jahren die Mittel, um gegen Schikanen von Mitschülern zu kämpfen, verschärft. Gegen<br />
das heute gefällte Urteil will die Behörde Widerspruch einlegen.<br />
han/ AFP/dpa<br />
http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070516195207/index.html [16.05.2007 22:35:30]