19.11.2012 Aufrufe

Pressemitteilung

Pressemitteilung

Pressemitteilung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gutenberg-Gymnasium: Die Wunden heilen nicht<br />

Gutenberg-Gymnasium: Die Wunden heilen nicht<br />

Gutenberg-Gymnasium: Die Wunden heilen nicht<br />

ERFURT. In den Fenstern steht der Schriftzug "Wir gedenken" . An der Fassade hängt ein<br />

weißes Tuch mit einem schwarzen G. Schon vor Beginn der Gedenkfeier liegen Blumen und<br />

Kränze vor der Tafel mit den Namen der Opfer des Amokläufers.Es ist sehr still kurz vor 11<br />

Uhr vor dem Gutenberg-Gymnasium. Viele halten sich fest, umarmen sich. Immer wieder<br />

rollen Tränen. Zahlreiche "Ehemalige" sind gekommen, junge Leute, die ihr Studium für<br />

einen Tag unterbrachen, um von Berlin, Mainz, Leipzig nach Erfurt zu ihrer Schule zu fahren.<br />

Jetzt stehen sie bei den früheren Mitschülern und Lehrern. Eine besondere Gemeinschaft.Die<br />

Feier beginnt mit Klaviermusik und einem Gedicht von Hilde Domin. Schulleiterin Christiane<br />

Alt spricht Worte des Gedenkens und versichert auch all jenen ihr Mitgefühl, "die tausende<br />

Kilometer weit weg ihre Toten beweinen." Den Gutenberg-Abiturienten gibt sie mit auf den<br />

Weg: "Werden Sie liebevolle Eltern. Werden Sie wachsame Eltern." Verse von Rose<br />

Ausländer und Erich Fried folgen, von Clara, Eric und Philipp im Namen ihrer Mitschüler<br />

vorgetragen. Die Schülervertretung hat in den vergangenen Tagen viel geleistet. Sie<br />

sammelte unter Mitschülern und Lehrern Geld für den Blumenschmuck auf den Treppen,<br />

stellte gemeinsam mit Lehrern die Texte für die Gedenkfeier zusammen. Jugendliche oberer<br />

Klassen boten an, vor jüngeren Mitschülern über den 26. April zu sprechen, mehrere Klassen<br />

nahmen diesen Vorschlag an. So stehen auch Schüler der jetzigen Fünften unter den<br />

Trauernden vor der Schule, haben Bilder und Blumen in ihren Händen. "Nur zu Besuch"<br />

heißt der Liedtext der "Toten Hosen", zu dem die 16 Namen verlesen werden. Viele<br />

schluchzen.Unter den Politikern, die schweigend an den Treppen verharren, ist auch<br />

Oberbürgermeister Andreas Bausewein. "Ich bin in dieser Gegend aufgewachsen und bis<br />

1989 hier zur Schule gegangen", erzählt er später. "Monika Burghardt war meine<br />

Klassenlehrerin, Rosemarie Hajna schon damals stellvertretende Direktorin." Beide waren<br />

unter den Opfern des 26. April. "Ich kann nie unbeteiligt an dieser Schule vorübergehen", so<br />

Bausewein. Denen, die vor fünf Jahren dabei waren, wünsche er, dass die schlimmen Bilder<br />

in den Köpfen irgendwann verblassen. Den Angehörigen der Opfer könne er nur aus tiefstem<br />

Herzen sein Mitgefühl versichern. "Amoklauf und Erfurt - diese Wortverbindung wird<br />

bleiben", sagt der Oberbürgermeister und nimmt Bezug auf den Medienandrang, der Erfurt<br />

ereilte nach der Bluttat in Virginia mit 32 Opfern.Nach der Gedenkfeier will sich die<br />

Gemeinschaft noch nicht auflösen. Lehrer und Schüler stehen beieinander. Auch Rainer<br />

Heise ist gekommen, der frühere Lehrer ist inzwischen pensioniert und wird vielfach<br />

umarmt. Eine ehemalige Schülerin, die sich für ein Pädagogikstudium entschied, sagt:<br />

"Wenn ich hier stehe und mich umschaue, bin ich zutiefst überzeugt, dass ich den richtigen<br />

Beruf gewählt habe." Am Nachmittag sitzen Schüler in Gruppen zusammen, treffen sich in<br />

Cafés. Am Abend ist die Engelsburg wie an jedem 26. April Treff für Schüler und Lehrer.<br />

Auch in der Andreaskirche kommen viele Menschen zusammen. "Die Tür ist heute wieder<br />

offen" steht als Motto über der Gedenkandacht. Auch hier werden die Namen der Opfer<br />

verlesen, viele Kerzen angezündet. "Manche von uns haben eine innere Tür", sagt Pfarrerin<br />

Ruth-Elisabeth Schlemmer. "Hinter dieser Tür sind die Erinnerungen. Die Gedanken,<br />

Gefühle. Bilder von vor fünf Jahren. Man kann sie zu machen. Oder öffnen." Im Text eines<br />

der Angehörigen heißt es: "Es gibt kein Vorbei. Alles ist und ist immer." Birgit KUMMER<br />

26.04.2007<br />

http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070427080703/index.html [16.05.2007 22:33:57]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!