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Eltern kämpfen um Schulplätze 5. Mai 2007<br />

Eltern kämpfen um Schulplätze 5. Mai 2007<br />

5. Mai 2007, 17:13 Uhr<br />

Von Florentine Anders<br />

Einschulung<br />

Eltern kämpfen um Schulplätze<br />

Im kinderreichen Stadtteil Prenzlauer Berg fehlen Schulen. Nun verlost der Bezirk die Plätze -<br />

ohne Rücksicht auf Schulwege und Geschwister. Zahlriche Eltern gehen mit Eilverfahren vor<br />

Gericht dagegen vor. Eine Klagewelle dürfte folgen.<br />

Foto: Lambert<br />

Kinder protestieren mit ihren Eltern in der Greifenhagener Straße gegen die<br />

Schulplatzvergabe in Prenzlauer Berg. 50 Kinder, die an die Thomas-Mann-Grundschule<br />

gehen wollten, waren vom Bezirk rausgelost und an eine andere Schule gelenkt worden<br />

Der Babyboom am Prenzlauer Berg hat die Schulen erreicht. Für viele Kinder und Eltern<br />

beginnt der häufig beschworene Ernst des Lebens mit völlig anderen Problemen als<br />

erwartet. In dem kinderreichen Stadtteil zwischen Mitte und Pankow reichen die Plätze an<br />

den Grundschulen bei weitem nicht aus. Die Planung der Stadt hat versagt. Als Konsequenz<br />

hat der Bezirk die Plätze an den Schulen einfach verlost – ohne Rüksicht auf den Wohnort<br />

der Eltern und darauf, wo die Geschwister zur Schule gehen. Zahlriche Eltern gehen mit<br />

Eilverfahren vor Gericht dagegen vor. Eine Klagewelle dürfte folgen.<br />

Für viele Eltern und Kinder war die Mitteilung des Bezirks ein Schock. Die fünfjährige<br />

Josephine etwa glaubte bislang, dass sie in dieselbe Schule gehen würde wie ihre große<br />

Schwester Annika. Für Antonio gab es keinen Zweifel, dass er bald in dem Klassenraum<br />

sitzen würde, das er aus dem Fenster seines Kinderzimmers sehen kann. Andererseits<br />

meldeten Eltern, die weder in der Nähe ihrer Wunschschule wohnten noch bereits ein Kind<br />

auf dieser Schule hatte, häufig ihren Wohnsitz um, wenn auch nur zum Schein.<br />

100 Euro für eine Adresse<br />

So war es seit Jahren Praxis in Berlin. Bildungsbewusste Eltern wollen selbst entscheiden,<br />

welche Schule die beste für ihr Kind ist. Bis zu 100 Euro wurden sogar auf Flugblättern<br />

geboten für eine Scheinadresse im Umkreis einer begehrten Schule. Laut Berliner<br />

Schulgesetz haben Eltern keine freie Wahl. Kinder eines Einzugsgebietes werden vom Amt<br />

der jeweiligen Schule in der Nachbarschaft zugewiesen.<br />

Weiterführende links<br />

● Akteure der Grundschulmisere<br />

Doch in diesem Jahr ist alles anders. Josephine darf nicht auf die Schule ihrer Schwester und<br />

Antonio soll einen langen Schulweg quer über die Schönhauser Allee bis zur Bezirksgrenze<br />

laufen. Das Pankower Schulamt registrierte zu viele Anmeldungen für zu wenige<br />

Grundschulplätze im Viertel rund um Helmholtz- und Kollwitzplatz. Erstmals in der Berliner<br />

Schulgeschichte entschloss sich die Behörde dazu, alle Grundschulplätze zu verlosen. Damit<br />

wurden auch jene Eltern vom Losglück abhängig, die sonst einen Platz sicher gehabt hätten,<br />

weil sie bereits ein Kind auf ihrer Wunschschule haben oder direkt neben der Schule<br />

wohnen.<br />

Wie groß der Ansturm in dem Gebiet ist, belegen die Zahlen. In der Nähe jener drei<br />

Grundschulen, die einen besonders guten Ruf haben, wohnen einhundert Kinder mehr, als<br />

dort Plätze vorhanden sind. Dieser Schülerboom war vorhersehbar. Bereits in den<br />

vergangenen sechs Jahren hat sich die Zahl der Erstklässler von 256 auf 470 nahezu<br />

verdoppelt. Gleichzeitig hat der Bezirk aber zwei Grundschulen in dem Viertel geschlossen.<br />

Auch das Problem der Scheinanmeldungen ist seit Jahren bekannt. Die Thomas-Mann-<br />

Grundschule an der Greifenhagener Straße ist voll ausgelastet mit Kindern, die tatsächlich<br />

oder auch nur angeblich in unmittelbarer Nähe wohnen.<br />

Einzugsgebiete schrumpfen<br />

Der Bezirk reagierte damit, dass er das Einzugsgebiet von Jahr zu Jahr schrumpfen ließ.<br />

Ohne Erfolg. Für das kommende Schuljahr sind 140 Kinder für die 90 vorhandenen Plätze<br />

angemeldet. 50 Kinder wurden vom Amt rausgelost und umgelenkt, darunter auch<br />

Josephine. Sie soll jetzt in die Grundschule am Planetarium gehen, was ihre Mutter um jeden<br />

Preis verhindern will. „Die Schule am Planetarium ist sportbetont, die Schule von unserer<br />

älteren Tochter Annika dagegen hat einen musischen Schwerpunkt“, sagt Catherine Kotte.<br />

Außerdem könne sie nicht in zwei Grundschulen gleichermaßen aktiv als Mutter mitarbeiten.<br />

Schlagworte<br />

Erstklässler Eltern Meldeadresse Prenzlauer Berg Verlosung Schulplatz Grundschule<br />

Einzugsgebiet Kinder<br />

Dass die Thomas-Mann-Grundschule so begehrt ist, liegt aber nicht allein an der musischen<br />

Ausrichtung. Seit Jahren wird hier das Lernen in altersgemischten Gruppen mit Erfolg<br />

praktiziert. Ab dem kommenden Schuljahr soll das Modell berlinweit gelten, doch viele<br />

Schulen sind noch immer auf Frontalunterricht geeicht und nicht ausreichend auf die Reform<br />

vorbereitet. Viele Eltern sind verunsichert. Angesichts der angespannten Situation hat sich<br />

Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztanzowicz (SPD) den einfachsten Weg gesucht und das Los<br />

entscheiden lassen.<br />

Alle hätten gleiche Chancen, argumentiert die Stadträtin. Sie hält auch nichts von dem<br />

Vorschlag der Eltern, auf dem Gelände der begehrten Schulen vorübergehend Container als<br />

Unterkünfte für Klassen aufzustellen, um die überzähligen Kinder unterzubringen. Denn es<br />

gebe noch einige Schulen im Bezirk, die nicht voll ausgelastet sind. Erst in zwei Jahren soll<br />

eine Grundschule gebaut werden.<br />

Behörden-Roulette verärgert Eltern<br />

Viele Eltern wollen die Zukunft ihrer Kinder aber nicht einem Behörden-Roulette überlassen.<br />

Sie stoßen damit eine Grundsatzdebatte über die Wahlfreiheit der Grundschule an. Eine<br />

Betroffenen-Initiative macht politischen Druck, organisiert Medienauftritte und<br />

Rechtsberatung. Mehr als zweihundert Widersprüche sind im Schulamt eingegangen, ein<br />

Dutzend Anwälte ist mit den Fällen beschäftigt.<br />

Einer von ihnen ist Professor Lutz Hambusch. Der Widerspruch allein reicht nicht, sagt der<br />

Experte für Sozialrecht. Hambusch setzt auf Eilverfahren beim Verwaltungsgericht. Innerhalb<br />

von vier Wochen müsse die Behörde jetzt ihr Losverfahren rechtfertigen. Der Anwalt ist<br />

sicher, dass die Interessen seiner Mandanten berücksichtigt werden müssen. Notfalls müsste<br />

die Klassenstärke eben auf 33 Kinder aufgestockt werden. Die Aussicht auf Unterricht in<br />

provisorischen Containern und auf übervolle Klassen allerdings weckt den Widerstand an den<br />

betroffenen Schulen.<br />

„Wir können nicht mehr Kinder aufnehmen“, sagt Gabriela Anders-Neufang, Leiterin der<br />

Thomas-Mann-Grundschule. Nicht nur das Gebäude sei zu klein, auch die Qualität des<br />

Unterrichts würde leiden. Der gute Ruf der Schulen würde bald dahin sein, meint auch die<br />

Schulstadträtin. Der Bezirkselternausschuss will deshalb vor allem den Vorzug für die<br />

Geschwisterkinder erreichen. Außerdem fordert der Ausschuss Kontrollen, ob die Kinder<br />

tatsächlich unter der angegebenen Adresse angemeldet sind. „Langfristig sind wir gegen<br />

solche Kontrollen“, sagt Elternvertreter Sigurt Vitols. In diesem Jahr sehe er allerdings keine<br />

andere Lösung.<br />

„Für die Scheinanmelder mit Schulplatz hat ein Spießrutenlauf begonnen“, sagt eine Mutter,<br />

die ihren Namen nicht nennen will. Auf den Spielplätzen seien sie nur noch selten zu treffen,<br />

in der Kita würden sie ihre Kinder so abholen, dass sie mit den Eltern ohne Schulplatz nicht<br />

zusammentreffen.<br />

Letzter Ausweg Privatschule<br />

Dass Mütter und Väter für einen guten Schuleinstieg eine gute Grundschule aussuchen<br />

wollen, trifft bei Sigurt Vitols auf vollstes Verständnis. Die bürokratischen Regelungen sollen<br />

künftig aufgehoben werden, fordert er. Die Schulen müssten sich dem Wettbewerb stellen<br />

und ihr Niveau angleichen. Die Opposition im Abgeordnetenhaus greift diese Forderung<br />

munter auf. „Es ist paradox, dass sich Eltern zwar immer besser über die Profile der Schulen<br />

informieren können, dann aber keine Wahl treffen können“, sagt CDU-Bildungsexperte<br />

Sascha Steuer.<br />

Für Catherine Kotte jedenfalls steht fest, dass sie dem Behördenschreiben nicht folgen wird.<br />

Eher würde sie ihre beiden Töchter zusammen an einer nahen Privatschule anmelden. Die<br />

privaten Schulen, die überall in Berlin boomen, sind bereits jetzt die klaren Sieger der<br />

Fehlplanung auch am Prenzlauer Berg. Schon kleben an den Laternenmasten rund um die<br />

Spielplätze bunte Zettel, auf denen eine neue Waldorfschule freie Grundschulplätze für das<br />

kommende Schuljahr anbietet. Ein Standort für die Schule ist noch gar nicht gefunden. Fest<br />

steht bisher nur, die Adresse der Waldorfschule soll unbedingt im Stadtteil Prenzlauer Berg<br />

sein.<br />

http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070506213841/index.html [16.05.2007 22:35:33]

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