19.11.2012 Aufrufe

Pressemitteilung

Pressemitteilung

Pressemitteilung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der Ausbau des Ganztagsschulsystems ist außerordentlich wichtig<br />

Der Ausbau des Ganztagsschulsystems ist außerordentlich wichtig<br />

Der Ausbau des Ganztagsschulsystems ist außerordentlich wichtig<br />

Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) vorgestellt<br />

Die ersten Ergebnisse der Befragungsstudie StEG liegen vor<br />

und die Bildungsforscher konnten den Ganztagsschulen in<br />

Deutschland ein positives Zwischenzeugnis ausstellen. Die<br />

pädagogische Arbeit der Schulen sei durch den Ganztagsbetrieb<br />

differenzierter und vielfältiger geworden. Die Online-Redaktion<br />

sprach mit dem Projektkoordinator der bundesweiten Studie,<br />

PD Dr. Ludwig Stecher, der die wesentlichen Ergebnisse<br />

erläuterte und deutlich machte, dass Ganztagsschulen ein<br />

wichtiger Schritt für die Schulen der Zukunft sind.<br />

Online-Redaktion: Wie ist StEG aufgebaut, wer ist daran<br />

beteiligt und wie sind Sie bei der Erhebung der Daten vorgegangen?<br />

Ludwig Stecher: Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) ist als<br />

Begleitforschung in das IZBB-Programm eingebunden. Das Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung (BMBF) und der Europäische Sozialfonds stellen dafür die finanziellen Mittel<br />

zur Verfügung. Mit den beteiligten Bundesländern gibt es eine enge Kooperation. In einem<br />

Beirat, der unsere Arbeit unterstützt, sind fünf Vertreterinnen und die Vertreter der<br />

beteiligten Länder, unter anderem auch aus Rheinland-Pfalz, vertreten.<br />

StEG ist eine Befragungsstudie, die durch drei Aspekte gekennzeichnet ist. Da ist einmal die<br />

Mehrperspektivität der Datenerhebung, die StEG auszeichnet. Unsere Befragungsbögen<br />

richten sich sowohl an die Schulleiterinnen und Schulleiter, an die Lehrerinnen und Lehrer<br />

als auch an das weitere pädagogisch tätige Personal, an die Eltern sowie an Schülerinnen<br />

und Schüler. Wir versuchen die Realität der Ganztagsschulen aus sehr unterschiedlichen<br />

Perspektiven zu erfassen.<br />

Zum zweiten ist StEG eine Längsschnittstudie. Wir befragen die verschiedenen<br />

Personengruppen an den Schulen nicht nur zu einem Messzeitpunkt, sondern mehrfach im<br />

Abstand von jeweils zwei Jahren (2005, 2007 und 2009; wobei die zweite Erhebungswelle<br />

derzeit gerade abgeschlossen ist). Damit erhebt StEG nicht nur den Status quo, sondern<br />

erfasst auch, welche organisatorischen Veränderungen sich im Laufe der Zeit an den<br />

Schulen vollziehen, und auch beispielsweise, welche Veränderungen sich auf der Ebene der<br />

Schülerinnen und Schüler durch die Teilnahme am Ganztagsbetrieb ergeben. An der ersten<br />

Erhebungswelle waren 373 Schulen beteiligt.<br />

Eine dritte Besonderheit von StEG, an der 14 Bundesländer teilnehmen, ist, dass wir eine<br />

sehr große Stichprobe realisieren konnten. Es gibt zwar etliche Begleitforschungen in den<br />

Ländern zu Ganztagsschulen, aber eine solche länderübergreifende bundesweite – und noch<br />

dazu längsschnittliche – Studie gab es bislang noch nicht. Insgesamt haben ca. 65.000<br />

Personen an der ersten Befragung teilgenommen.<br />

Online-Redaktion: Welche Gelingensbedingungen haben erfolgreiche Ganztagsschulen?<br />

Ludwig Stecher: Die Frage nach möglichen Gelingensbedingungen von Ganztagsschulen<br />

ist vielschichtig. Ein mögliches Problemfeld kann dabei das Verhältnis zwischen Lehrkräften<br />

und dem weiteren pädagogisch tätigen Personal darstellen. Die Öffnung der Ganztagsschule<br />

ermöglicht in Bezug auf die Durchführung der außerunterrichtlichen Angebote andere<br />

Professionen, andere Berufsgruppen in die Schule aufzunehmen.<br />

Das sind unter anderen Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Übungsleiterinnen und<br />

Übungsleiter aus dem Sport oder auch engagierte Eltern. Die häufigsten<br />

Kooperationspartner der Schulen auf verbandlicher Ebene sind dabei die Sportvereine. Auch<br />

die Jugendhilfe spielt eine wichtige Rolle. Diese Kooperationen sind sicher für das Gelingen<br />

von Ganztagsschule sehr wichtig.<br />

Das, was im Unterricht gemacht wird, muss mit dem, was außerunterrichtlich geschieht, eng<br />

gekoppelt sein. Das setzt natürlich voraus, dass die Lehrkräfte und das weitere pädagogisch<br />

tätige Personal eng zusammenarbeiten. Und gerade da sehe ich einen der wesentlichen<br />

Punkte, die das Gelingen von Ganztagsschule befördern aber auch behindern können, wenn<br />

diese Zusammenarbeit nicht optimal möglich ist.<br />

Online-Redaktion: Warum entscheiden sich Schulen, Ganztagsschulen zu werden, und wie<br />

gelingt es ihnen am besten?<br />

Ludwig Stecher: Es gibt die unterschiedlichsten Motive für Schulen, Ganztagsschulen zu<br />

werden. Diese Fragen, welche Motive letztlich entscheidend sind, wurden in StEG sehr<br />

intensiv ausgewertet. Im Vordergrund stehen für die Schulen im Allgemeinen pädagogische<br />

Motive.<br />

Zugleich muss man sagen, dass die Möglichkeiten, die das IZBB bietet, für viele ein –<br />

weiterer – Grund war, sich zu einer Ganztagsschule zu entwickeln, weil dadurch die<br />

baulichen Voraussetzungen überhaupt erst geschaffen werden konnten, z. B. ein warmes<br />

Mittagessen anzubieten oder spezielle Räume zu haben, die man für das erweiterte Angebot<br />

braucht.<br />

Online-Redaktion: Kritiker von GTS bemängeln, dass es sich bei vielen Angeboten<br />

lediglich um eine Aufbewahrung der Kinder handelt, bei der bestenfalls die Anfertigung der<br />

Hausaufgaben garantiert wird. Zu welchen Ergebnissen kommt hier die Studie?<br />

Ludwig Stecher: Neben den von Ihnen genannten Argumenten werden weitere Vorbehalte<br />

gegen die Ganztagsschule geäußert: Durch die Ganztagsschule veröde die<br />

Vereinslandschaft, die Schülerinnen und Schüler stünden den Vereinen nicht mehr zur<br />

Verfügung und die gemeinsam verbrachte Familienzeit würde verkürzt. Unsere Studie zeigt<br />

hingegen, dass diese Kritikpunkte empirisch gesehen nicht haltbar sind. Im Bezug auf die<br />

Familie verändern sich die Familienzeit und auch die Qualität der Beziehungen in den<br />

Familien kaum. Hinsichtlich der Vereine sieht man, dass diejenigen profitieren, die mit<br />

Ganztagsschulen kooperieren, weil man mit spezifischen Angeboten Schülerinnen und<br />

Schüler erreicht, die man sonst nicht erreicht hätte.<br />

Was die Qualität der Ganztagsschulen angeht, ist das natürlich ein weites Feld. Auf jeden<br />

Fall kann gesagt werden, dass die Ganztagsschulen sehr bemüht sind, nicht nur eine<br />

Verlängerung der Halbtagsschule zu sein, sondern dass es viele Aktivitäten im<br />

außerunterrichtlichen Bereich gibt. So wird die Hausaufgabenhilfe in nahezu allen Schulen<br />

realisiert, das gilt auch für Arbeitsgemeinschaften. Es wird versucht, ein breites und<br />

vielseitiges Angebot zu gestalten.<br />

Das klappt sicher noch nicht in jedem Einzelfall. Dieses Manko trifft aber sicher nicht die<br />

Ganztagsschule als solche, sondern trifft auch auf andere Schulen zu. Auch hier finden sich<br />

Qualitätsunterschiede. Man muss auch noch berücksichtigen, dass viele Ganztagsschulen<br />

erst in den letzten Jahren den Ganztagsbetrieb aufgenommen haben und noch im Aufbau<br />

sind.<br />

Das IZBB-Programm hat eine große Förderung initiiert. Das heißt aber auch, dass wir<br />

Schulen haben, die erst ein, zwei oder drei Jahre als Ganztagsschulen arbeiten und auch<br />

noch nicht in dem Maße das vollständige Angebot ausgebaut haben können wie Schulen, die<br />

schon längere Zeit Ganztagsschulen sind. So gibt es in Bezug auf die Qualität eine gewisse<br />

Variationsbreite, die wir aber in vielerlei Hinsicht auch an anderen Schulen finden.<br />

Online-Redaktion: Welche Kinder besuchen die Ganztagsschule und wie zufrieden sind<br />

sie?<br />

Ludwig Stecher: Durch die Mehrperspektivität unserer Studie haben wir uns auch mit der<br />

Sicht der Schülerinnen und Schüler auf die Ganztagsschule auseinandergesetzt. Eine<br />

wichtige Frage war: Welche Gruppen von Kindern gehen überhaupt in die Ganztagsschule?<br />

Da gab es unterschiedliche und widersprüchliche Befürchtungen. Einerseits, dass vor allem<br />

förderungsbedürftige Schülerinnen und Schüler in die Ganztagsschule gehen, andererseits<br />

wurde das genaue Gegenteil befürchtet, dass vor allem Kinder, die ohnehin die Angebote<br />

der Schule intensiv nutzen, sowie Schülerinnen und Schüler aus bildungsnahen Schichten<br />

das Ganztagsangebot verstärkt annehmen.<br />

Da zeigt unsere Studie etwas sehr Wichtiges, dass nämlich die Ganztagsschule in dieser<br />

Hinsicht nicht selektiv ist. Die Quoten für die Migrantenkinder sind vergleichbar mit denen<br />

der Kinder ohne Migrationshintergrund. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen<br />

Schicht wirkt sich im Großen und Ganzen nicht auf die Teilnahme an der Ganztagsschule<br />

aus. Weder die eine noch die andere Befürchtung bestätigten sich. Das ist durchaus positiv<br />

zu werten.<br />

Wir haben sehr umfangreich die Schülerinnen und Schüler befragt, was sie von den<br />

Ganztagsangeboten halten, welchen Lern- und sozialen Nutzen sie sich davon versprechen.<br />

In unserem Buch zu den Ergebnissen von StEG, das im Mai erscheint, sind diese Aspekte<br />

ausführlich beschrieben.<br />

Online-Redaktion: Welche bildungspolitischen Schlussfolgerungen werden in der Studie<br />

gezogen?<br />

Ludwig Stecher: Am Ende der Studie gibt es einen Abschnitt mit dem Titel Impulse für<br />

Politik und Forschung. Da geht es unter anderem darum, dass wir den weiteren Ausbau des<br />

Ganztagsschulsystems für außerordentlich wichtig erachten. Unsere und auch andere<br />

Studien zeigen, dass die Nachfrage nach ganztägiger Bertreuung und Bildung weiter steigen<br />

wird und die Akzeptanz beispielsweise bei den Eltern sehr groß ist.<br />

Wir erachten es für notwendig, die Schulen weiterhin in ihrer Entwicklung zu stärken. Das<br />

heißt, dass der spezifische Beratungs- und Fortbildungsbedarf abgedeckt werden muss, den<br />

Ganztagsschulen vor allem in der Aufbauphase haben. Des Weiteren sollte der<br />

konzeptionelle Zusammenhang zwischen Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten<br />

stärker ausgebaut und entwickelt werden. Die Verknüpfung von Vormittag und Nachmittag<br />

kann nur gelingen, wenn die Lehrkräfte und das weitere pädagogisch tätige Personal sehr<br />

eng zusammenarbeiten und es innerhalb der Schulen die (strukturellen) Möglichkeiten gibt,<br />

außerschulische Fachkräfte in das gesamte Kollegium zu integrieren.<br />

Die Befunde von 2005 lassen noch keine Aussagen darüber zu, welche Auswirkungen die<br />

ganztägige Bereuung und Bildung auf die Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung von<br />

Kindern und Jugendlichen hat. Auf jeden Fall sollte der Ausbau von Ganztagsschulen durch<br />

weitere Reformmaßnahmen im Bildungsbereich ergänzt werden. Die Ganztagsschule ist<br />

sicher kein Allheilmittel, für alles, was die Schule der Zukunft leisten soll, aber sie ist ein<br />

wichtiger Schritt.<br />

PD Dr. Ludwig Stecher, geboren 1961, studierte Sozialwissenschaften an der Universität<br />

Wuppertal und promovierte 2000 im Fach Erziehungswissenschaft an der Universität Siegen.<br />

(Habilitation 2007 mit Schwerpunkt Bildungsforschung). Von 1993 bis 2005 war Ludwig<br />

Stecher wissenschaftlicher Mitarbeiter am Siegener Zentrum für Kindheits-, Jugend- und<br />

Biografieforschung (SiZe) im FB 2 Erziehungswissenschaft der Universität Siegen Seit März<br />

2005 ist er Projektkoordinator der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) am<br />

Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main.<br />

http://lev-thueringen.de/spiegel/20070516195528/20070427062315/index.html [16.05.2007 22:35:47]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!