11.10.2015 Views

auf ein Wort V5

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

eich die katholische Kirche summa summarum wirklich ist, das wusste selbst Johannes XXIII. nicht, denn die<br />

Finanzen werden von bestimmten Mitgliedern der Kurie verwaltet. Und es ist <strong>ein</strong> ungeschriebenes Gesetz im Vatikan,<br />

dass sich <strong>ein</strong> Papst k<strong>ein</strong>en Einblick in die Finanzen des Vatikans verschafft, jedenfalls nicht unmittelbar, sondern<br />

<strong>ein</strong> Papst hat sich immer <strong>auf</strong> das zu verlassen, was ihm die Kurie in punkto Finanzen mitteilt. Und wehe dem<br />

Papst, der es wagen würde, dieses Gesetz zu durchbrechen, es sei denn, er stammt selbst aus der Kurie und weiß<br />

somit sowieso um den Stand der Dinge Bescheid! Johannes XXIII. jedenfalls ahnte nur, welche Reichtümer der<br />

Vatikan in Wirklichkeit verwaltete, und er brachte mit dem „Zweiten Vatikanischen Konzil“ zumindest <strong>ein</strong>ige kl<strong>ein</strong>e<br />

kirchliche Reformen <strong>auf</strong> den Weg. Am 3. Juni 1963 verstarb Johannes XXIII., als Nachfolger wurde <strong>ein</strong> Papst gewählt,<br />

der sich den Namen „Paul VI.“ gab. Auch dieser Papst richtete sich nicht ganz hundertprozentig nach dem<br />

Willen der Kurie, s<strong>ein</strong>e immerhin 15-jährige Amtszeit wies jedoch <strong>ein</strong> Ereignis <strong>auf</strong>, das dem positiven Teil der katholischen<br />

Kirche <strong>ein</strong>en gewaltigen Schlag versetzte. Papst Paul VI. verkündete am 25. Juli 1968 die „Enzyklika<br />

Humanae Vitae“, dabei handelte es sich um <strong>ein</strong> päpstliches Sittengesetz, das für alle Katholiken bindend war, und<br />

das – kurz gefasst – folgenden Inhalt hatte:<br />

Die <strong>ein</strong>zige Methode der Empfängnisverhütung, die die Kirche ihren Gläubigen gestattet, ist die Kalendermethode<br />

(k<strong>ein</strong> Geschlechtsverkehr an fruchtbaren Tagen), außerdem sei jeder geschlechtliche Akt zwischen Eheleuten (und<br />

nur Eheleuten ist er gestattet) r<strong>ein</strong> zum Zwecke der Erzeugung menschlichen Lebens zu sehen.<br />

Dass diese Enzyklika nicht gerade mit Begeisterungsstürmen von den Gläubigen – aber auch von der Mehrheit der<br />

Priesterschaft – <strong>auf</strong>genommen wurde, versteht sich von selbst. Wenn wir von Gläubigen sprechen, dann waren<br />

dies zu damaliger Zeit immerhin 800 Millionen Menschen weltweit. Für viele Priester brach damals schlichtweg<br />

<strong>ein</strong>e Welt zusammen, hatte man doch <strong>auf</strong> <strong>ein</strong> ganz anderes Ergebnis gehofft. Die Enzyklika Humanae Vitae wurde<br />

von Papst Paul VI. nicht so <strong>ein</strong>fach aus dem Nichts erlassen, vorausgegangen war die Arbeit <strong>ein</strong>er 68-köpfigen<br />

Kommission, deren M<strong>ein</strong>ung dem Papst als Orientierungshilfe in Frage Geburtenkontrolle dienen sollte. Obwohl<br />

sich der Bericht dieser Kommission <strong>ein</strong>deutig für Empfängnisverhütung und <strong>ein</strong> liberaleres Sexualleben aussprach,<br />

entschied Papst Paul VI. genau entgegengesetzt. Schuld daran war die Kurie, die den Papst mit <strong>ein</strong>em Gegenbericht<br />

derart massiv und geschickt unter Druck setzte, dass er die Empfehlung der 68-köpfigen Kommission <strong>ein</strong>fach<br />

ignorierte. Durch diese Entscheidung verlor nicht nur Papst Paul VI. gehörig an Sympathie, das Ansehen der ganzen<br />

katholischen Kirche bekam weltweit <strong>ein</strong>en gewaltigen Knacks. Ganz wohl war es dem Papst nach dieser Entscheidung<br />

nicht mehr, er wurde sich mehr und mehr dahingehend bewusst, dass die Kurie ihn im Griff hatte, und<br />

dass ihm die Kraft fehlte, sich diesem Griff zu entziehen. Sich s<strong>ein</strong>er eigenen Ohnmacht bewusst, begann Paul VI.<br />

– geschickt und so un<strong>auf</strong>fällig wie nur irgend möglich – <strong>ein</strong>en Bischof zu fördern, der den Namen Luciano Albino<br />

trug. Paul VI. wusste, dass Luciano Albino das Herz am rechten Fleck hatte, und er war sich vor allem der Tatsache<br />

bewusst, dass <strong>ein</strong>em Luciano Albino die Kraft innewohnte, sich der Kurie entgegenzustellen. Papst Paul VI.<br />

ermunterte den stets bescheidenen Bischof Luciano Albino dahingehend, dass dieser s<strong>ein</strong>en berufenen Weg gehen<br />

sollte, und er stellte da und dort die Weichen für dessen Karriere. 1970 wurde Luciano Albino Erzbischof von Venedig,<br />

1973 verlieh ihm Papst Paul VI. die Würde zum Kardinal. Aber Paul VI. beschränkte sich in Sache Luciano<br />

Albino nicht nur dahingehend, dass er <strong>auf</strong> dessen Karriere achtete, er begann auch bei <strong>ein</strong>igen anderen Kardinälen<br />

Werbung für diesen Mann zu machen. Und zwar Werbung ganz klar hinsichtlich dessen, dass Luciano Albino <strong>ein</strong><br />

würdevoller Nachfolger wäre, falls er selbst ableben würde. Doch den größten Clou landete Papst Paul VI. im Oktober<br />

des Jahres 1975, zweiundzwanzig Monate vor s<strong>ein</strong>em Tod. Er erließ nämlich <strong>ein</strong>e Reihe von päpstlichen Anweisungen,<br />

die den Fall s<strong>ein</strong>es Todes betrafen, beziehungsweise die Neuwahl des nächsten Papstes. Es war Papst<br />

Paul VI., der diejenigen Kardinäle, die das 80. Lebensjahr bereits vollendet hatten, von der Papstwahl (Konklave)<br />

ausschloss. Weiterhin sorgte der päpstliche Erlass dafür, dass bei der nächsten Papstwahl Vorkehrungen getroffen<br />

werden, die jegliche Wahlmanipulation von vornher<strong>ein</strong> ausschlossen. Die im Erlass befohlenen Sicherheitsmaßnahmen<br />

waren perfekt, denn Paul VI. wusste um die Schwachstellen im Vatikan genau Bescheid. Und er wusste<br />

vor allem, dass die Kurie bislang jede Papstwahl in heftigster Art und Weise manipuliert hatte. Dass dieser päpstliche<br />

Erlass die Kurie in helle Aufregung versetzte, kann man sich lebhaft vorstellen, der Papst wurde in der Folge<br />

massiv unter Druck gesetzt, diesen Erlass für nichtig zu erklären. Aber Paul VI. blieb in dieser wichtigen Sache<br />

standhaft bis zu s<strong>ein</strong>em Tode, der am 6. August 1978 <strong>ein</strong>trat. Es kam zur Neuwahl des Papstes, unter bislang<br />

noch nie da gewesenen Sicherheitsvorkehrungen. Und siehe da, nach schier endlosem Wahldrama bestieg am 26.<br />

August 1978 <strong>ein</strong> vollkommen überraschter Luciano Albino den weltlichen Thron Gottes, er gab sich den Namen<br />

„Johannes Paul I.“.<br />

Johannes Paul I. ging als „der lächelnde Papst“ in die Geschichte <strong>ein</strong>, die Menschen schlossen ihn sofort in ihr<br />

Herz. Doch es sollte <strong>ein</strong> Auftritt von sehr kurzer Dauer s<strong>ein</strong>, 33 Tage nach s<strong>ein</strong>em Amtsantritt war Papst Johannes<br />

Paul I. tot.<br />

Luciano Albino stammte aus sehr armen Verhältnissen, er kannte die Not der Menschen, die nicht zuletzt <strong>auf</strong> <strong>ein</strong>en<br />

überreichen Kindersegen zurückzuführen war. Luciano Albino war <strong>ein</strong> Menschenfreund erster Klasse, er war bescheiden,<br />

hilfsbereit und grundehrlich. Außerdem war er von frühester Kindheit an äußerst belesen, er wusste,<br />

was in der Welt bislang geschehen war und was gerade geschieht. Und, was das allerwichtigste war, Reichtum war<br />

ihm <strong>ein</strong> Dorn im Auge. S<strong>ein</strong> Motto, das er im L<strong>auf</strong>e s<strong>ein</strong>er Karriere mehrmals unüberhörbar und mit Nachdruck<br />

äußerte, war:<br />

Ich bin mit weniger als fünf Lire hergekommen, und ich will mit weniger als fünf Lire<br />

weggehen.<br />

gehen.<br />

- 72

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!