Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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Harnstoff wurde 1828 synthetisiert. "Eine unermeßliche organische Stoffwelt bis zu<br />
hochkomplizierten Eiweißmolekülen wurde gefunden, aber alle diese Stoffe sind leblos"(ebd.).<br />
Einstein sagte 1952: "Allah ist groß, und wir sind armselige Tröpfe mit unserer ganzen<br />
wissenschaftlichen Herrlichkeit"(42;17), was Jaspers zu entkräften sucht, da auch Einstein die<br />
Welt mit Mathematik zu erklären suche (vgl.42;17). Jaspers geht sogar soweit, zu behaupten,<br />
magisches Operieren sei heute nicht nur praktisch ein Unfug, "sondern ein unredlicher Akt des<br />
seinen Verstand verratenden Menschen"(42;19). Dem muß ich widersprechen.<br />
Schließlich handelt es sich bei dieser Einstellung um die theoretische Grundlage des<br />
positivistischen Technologietraumes, der uns ständig vor neue ungebetene Tatsachen stellt.<br />
Außerdem ist auch der Besuch einer Kirche "magisches Operieren", und Einstein war selbst<br />
vielzusehr Mystiker, um an eine letztgültige positivistische Erklärbarkeit der Welt zu glauben 12 , in<br />
der Art, wie Jaspers es hier vorschlägt. "Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen<br />
Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit den Schicksalen und<br />
Handlungen der Menschen abgibt"(31;75f.).<br />
Außerdem schrieb Einstein: "Meine Religion besteht in demütiger Anbetung eines unendlichen<br />
geistigen Wesens höherer Natur, das sich selbst in den kleinen Einzelheiten kundgibt, die wir mit<br />
unseren schwachen und unzulänglichen Sinnen wahrzunehmen vermögen. Diese tiefe<br />
gefühlsmäßige Überzeugung von der Existenz einer höheren Denkkraft, die sich im<br />
unerforschlichen Weltall manifestiert, bildet den Inhalt meiner Gottesvorstellung"(31;74).<br />
Die hier bei Einstein vorgegebene Denkrichtung findet sich auch bei Fritjof Capra, der ebenso wie<br />
Einstein Jaspers’ hier einseitigen Fortschrittsoptimismus nicht teilt: „Die moderne Physik führt<br />
uns zu einer Anschauung der Welt, die den Ansichten der Mystiker aller Zeitalter und Traditionen<br />
sehr ähnlich ist“(21;15) 13 .<br />
Der positivistische Fortschrittsglaube der 50er Jahre dieses Jahrhunderts scheint überhaupt zurück<br />
ins letzte Jahrhundert zu weisen, wo u.a. Max Stirner und Friedrich Nietzsche (vgl.72;§110) den<br />
Rückzug ins Diesseits forderten. Über Jaspers’ hier zitierte Anschauungen hinaus sollte nicht<br />
vergessen werden, daß in seinem Konzept vom „Umgreifenden“ die Transzendenz nach wie vor<br />
eine Existenz hat (vgl.56;199): „Der Mensch vermag die Subjekt - Objekt - Spaltung zu<br />
überschreiten zu einem völligen Einswerden von Subjekt und Objekt, unter Verschwinden aller<br />
Gegenständlichkeit und unter Erlöschen des Ich. Da öffnet sich das eigentliche Sein und hinterläßt<br />
beim Erwachen ein Bewußtsein tiefster, unausschöpfbarer Bedeutung“. Dies entspricht dem<br />
„transzendentalen Bewußtsein“, das nach der letzten Reduktion in der Phänomenologie erreicht<br />
wird.<br />
12 Steven Hawking sagt, er arbeitet an einer solchen „Weltformel“. Diese wird auch sicher<br />
eines Tages gefunden. Nur wird auch die Weltformel nicht in der Lage sein, den alles<br />
durchwirkenden Zufall zur berechenbaren Größe zu machen, bzw. das algebraische<br />
Eschaton zu formulieren.<br />
13 „Die menschliche Bewußtheit ... ist im Begriff, einen Quantensprung zu<br />
vollführen“(105;58).