Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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gleichsam fossile Überreste aus vergangenen Epochen zu<br />
disqualifizieren“(ebd.). So läßt sich dann „wahres Glück“ nur an der<br />
Rationalität des Utilitarismus messen. Die Arten von Glück, die der<br />
letzteren widersprechen, werden aus dem Weg geräumt. Sobald wir eine<br />
Handlungsweise kennen, die das größte Glück der größten Zahl<br />
verspricht, stehen wir vor zwei neuen Problemen: erstens, daß die<br />
Berechnung von Konsequenzen selbst unter verschiedenen Umständen<br />
unterschiedlich ausfällt und zweitens, „daß ... das Ergebnis des<br />
utilitaristischen Kalküls als ... moralisch verfehlte Antwort erscheinen<br />
kann 175 , wenn z.B. ein Verbrecher zum Wohle der Allgemeinheit<br />
hingerichtet werden muß. Weiterhin ist ein beunruhigender Effekt eines<br />
aktiv vertretenen Utilitarismus eine „moralische Münzverschlechterung“.<br />
Schlechte Handlungen schlechter Menschen treiben gute Menschen zu<br />
ebensolchen Handlungen, die sie dann im Hinblick auf einen Zweck<br />
begehen (vgl.104;107). Positiv zu bewerten bleibt die von Utilitaristen wie<br />
Jeremy Bentham und John Stuart Mill geführte Attacke auf viktorianische<br />
Moralgrundsätze (vgl.104;106).<br />
Was hat dieser Exkurs über den Utilitarismus nun mit unserer Problematik<br />
zu tun? Wie bei so vielen zunächst in reformerischer Absicht formulierten<br />
Standpunkten, so gibt es auch beim Utilitarismus, sofern man ihn heute<br />
noch so nennt, spätestens seit der Enkelgeneration eine traditionalistische<br />
Verhärtung die sich dann „konservativ“ gebärdet und so oft das Gegenteil<br />
des ursprünglichen Standpunkts bezweckt 176 . Ganz in diesem Sinne ist<br />
der, mit dem Mißverständnis der Auszählbarkeit von Lebendigem zutiefst<br />
behaftete, Utilitarismus der Großvater des heutigen Fortschrittsglaubens.<br />
Jonas sagt, daß nicht nur die Pflicht zur Erhaltung des Menschen und der<br />
Idee des Menschen besteht, sondern damit auch die Pflicht zur Erhaltung<br />
der Biosphäre als sine qua non der erstgenannten Pflicht. <strong>Das</strong> Ganze<br />
nennt er die Pflicht zum Menschen, um so einen Leitbegriff zu haben<br />
(vgl.44;245). „Kein größeres Wagnis konnte die Natur eingehen, als den<br />
Menschen entstehen zu lassen, und jede aristotelische Vorstellung von<br />
der sich selbst dienenden und zum Ganzen integrierenden Teleologie der<br />
Gesamtnatur ist durch dies, das auch ein Aristoteles noch nicht ahnen<br />
konnte, widerlegt“(44;247). <strong>Das</strong> „Baconische Programm“(44;251), das<br />
175 Ein gutes Beispiel hierfür liefert: Malthus, Thomas Robert: Eine Abhandlung über das<br />
Bevölkerungsprinzip, wie es die zukünftige Verbesserung der Gesellschaft beeinflußt mit<br />
Bemerkungen zu den Spekulationen von Mr. Godwin, M. Condorcet und anderer Autoren.<br />
London 1798<br />
176 Ebenso ist Kant in unserer Zeit vom Wegbereiter der Vernunft zu einer Nervensäge<br />
für Schüler mutiert.