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Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk

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4, Explosion im Hauptgebäude. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um eine<br />

Kernschmelze in Block 4, die durch einen Konstruktionsfehler, der allen vier Reaktoren vom Typ<br />

NBMK (= Druckröhrenreaktor mit hoher Leistung) in Tschernobyl gemeinsam ist, stark begünstigt<br />

wurde: drückt man den Notstop - Schalter, so überhitzt der Reaktor. Zwischen Block 3 und 4 war<br />

alles zusammengestürzt. Überall auf dem Kraftwerksgelände war Graphit verteilt. Auf Befehl der<br />

KPdSU war ein Experiment mit den vier graphitmoderierten 99 Reaktoren durchgeführt worden.<br />

Alle vier sollten abgeschaltet werden. Wenig später stellte sich jedoch heraus, daß das Stromnetz<br />

der Ukraine, insbesondere in Kiew in diesem Fall zusammenbrechen würde.<br />

So wurden die Reaktoren mit halber Kraft betrieben und gerieten in einen instabilen Zustand, der<br />

sich durch einen spontanen Anstieg der Leistung bemerkbar machte. Um 1 Uhr 23, kurz vor dem<br />

"Menschenversuch" war noch alles normal. Als es zur Kernschmelze kam, wußte eine Stunde lang<br />

niemand im Kontrollraum, was wirklich geschehen war. Hundert Warnlampen blinkten, sodaß<br />

niemand die Übersicht behielt, dann fiel die Elektrizität bis auf ein Notstromaggregat, mit dessen<br />

Hilfe nicht einmal mehr der Kontrollraum vollständig beleuchtet werden konnte, aus. Die 3000<br />

Tonnen schwere Reaktorplatte war durch die Explosion auf den Rand des Gebäudes geschleudert<br />

worden. Dies ist bis heute ein destabilisierender Faktor auf die bauliche Statik des Reaktors von<br />

Tschernobyl.<br />

Am 27.4., 14 Uhr begann die Evakuierung der umliegenden Dörfer. Insgesamt arbeiteten etwa 600<br />

000 Liquidatoren an der Beseitigung der unmittelbaren Schäden, von denen bisher<br />

schätzungsweise 20 000 tot sind. Die Zahl der Zwangsverpflichteten läßt sich nicht mehr genau<br />

ermitteln. Die meisten derjenigen Arbeiter starben, die in nach Sekunden abgezählten Schichten<br />

das hochradioaktive Graphit beseitigen mußten. Die Bekämpfung der Ausbreitung von<br />

Radioaktivität mit Sandsäcken erwies sich als nicht effektiv. Den Arbeitern gegenüber<br />

unterblieben vielfach Hinweise auf die Gefahren. <strong>Das</strong> Tragen von Atemfiltern gegen radioaktive α<br />

- und β - Partikel wurde oft als Vorsichtsmaßnahme außer acht gelassen. Ärzte entschieden vor<br />

Ort, wer weiter der Radioaktivität ausgesetzt werden dürfe. Die Idee, den aufgesprengten<br />

Reaktorkern mit Wasser abzukühlen, das sofort verdampfte, führte zur Ausbreitung von<br />

Radionukliden in die Atmosphäre, die 2 Tage später über Schweden abregneten. Hierbei handelte<br />

es sich besonders um Cäsium 137 und Cäsium 134 100 . Bundesinnenminister Zimmermann sagte<br />

am 28.4. im Fernsehen, daß keinerlei Gefahr für Deutschland bestehe, wobei es sich insofern um<br />

die Vorspiegelung von Kompetenz handelte, als weder er noch sonst jemand irgend etwas wußte.<br />

Am 30.4. kletterte die radioaktive Belastung der Luft in Regensburg auf 100 Becquerel, worauf<br />

der bayrische Umweltminister, Alfred Dick, am 2. Mai sagte, es gebe in Bayern "keinen meßbaren<br />

Wert". Am 5. Mai war die bayrische Kuhmilch mit 500 Becquerel je Liter belastet 101 , die<br />

99 Bei diesem Reaktortyp kann jederzeit über waffenfähiges Plutonium verfügt werden.<br />

100 Vgl.9;A22.<br />

101Der Grenzwert für die Belastung von Milch beträgt heute, 10 Jahre nach der<br />

Katastrophe, in dem noch immer stark verstrahlten Weißrußland 111 Becquerel je Liter,<br />

während in Bayern 1988 schon Werte unter 20 Bq je Liter gemessen wurden, wovon nur

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