Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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VI.2.7 Utopie und Realismus<br />
Der Marxismus versprach die „klassenlose Gesellschaft“, in der die wahre<br />
Natur des Menschen, der selbst als Ensemble verinnerlichter<br />
gesellschaftlicher Verhältnisse bisher nur eine gehemmte und verzerrte<br />
Natur aufwies, zur Verwirklichung käme (vgl.44;313). In diesem „Reich der<br />
Freiheit“ würde auch erst die „wahre menschliche Geschichte“ beginnen.<br />
Ich gestatte mir die kurze Zwischenbemerkung, daß die besagten<br />
Aspiranten eines Reiches der Freiheit, gemeinsam mit ihren<br />
„imperialistischen“ Gegnern, die natürlich das demokratische Reich einer<br />
noch freieren Freiheit vertraten, uns durch ihr jahrzehntelanges Wettrüsten<br />
beinahe die Freiheit vom <strong>Das</strong>ein verschafft hätten.<br />
Alle marxistische Philosophie konzentriert sich auf „die Revolution und ihre<br />
Stufen“(ebd.). So steht das Kommen in der Utopie vor dem Sein. Es geht<br />
um eine „Umwandlung des Menschen durch nie gekannte<br />
Zustände“(44;315). Sowohl der Progressivismus, als auch die erst nach<br />
Beendigung des kalten Krieges bekanntgewordenen Zustände, wie die<br />
Austrocknung des Aralsees und die Löcher in sibirischen Pipelines,<br />
sprechen gegen die Tauglichkeit des Sowjetkommunismus für eine<br />
ökologische Revolution. Marx räumt zwar ein, daß es eine Grenze der<br />
Ausbeutung von Ressourcen gebe, verliert jedoch sonst kein Wort über<br />
die Natur als Selbstzweck, was Mitte des 19. Jahrhunderts auch eine<br />
läßliche Sünde war. Trotzdem zeigt sich, daß auch die „An - sich -<br />
Richtigkeit des utopischen Ideals“(44;339) nicht haltbar ist.<br />
„Der Umbau der Natur oder des Sterns Erde“(44;327), wie er sich bei<br />
Ernst Bloch findet, ist nichts weiter, als eine Schreckensvision von der<br />
„Mechanisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse“(ebd.), die<br />
ohnehin auch im kapitalistischen Umfeld stattfindet. Zum Problem werden<br />
Nahrung, Rohstoffe und Energie, sowie der Treibhauseffekt.<br />
Als „einer Vision großer und barmherziger Geister, die sich der in ihr<br />
verborgenen Unbarmherzigkeit nicht bewußt waren“ wendet Jonas sein<br />
„philosophisch - moralisch - metaphysisches Interesse“(44;341) dem Ideal<br />
der Utopie zu und untersucht, ob es überhaupt wünschbar sei, im Falle<br />
von Marx, was bei Bakunin erst noch zu prüfen wäre, daß der Traum<br />
Wirklichkeit wird. Dabei erscheint als ein zentrales Problem die<br />
Beschäftigung der Vielzuvielen. „Die gewaltige Mehrheit“ ist „von<br />
‘nützlicher’ Arbeit - im weitesten Sinne ... nicht so sehr befreit wie<br />
ausgeschlossen“(44;347). Ernst Bloch sprach von einem „Paradies der<br />
Muße“(vgl.44;347). Auch Marx’ Prophezeihung, „daß mit der knechtenden