Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
So entstand schon im alten Griechenland eine bloß gedachte, künstliche<br />
Welt, die hier und heute mehr und mehr Realität wird, und die Frage kann<br />
daher nicht nur sein, welche Ethik brauchen wir für eine moderne Welt,<br />
sondern auch, wie verhindern wir auf Dauer, daß diese Ethik zur<br />
Alleinherrschaft gelangt?<br />
„Ich glaube nicht, daß die gegenwärtige Form von Toleranz echt ist. Sie ist<br />
‘von oben herab’ beschlossen worden: es ist die Toleranz der Herrschaft<br />
des Konsums, die formal eine absolute Flexibilität der ‘Sitten’ erfordert,<br />
damit der Einzelne ein guter Konsument wird“(75;118).<br />
Während Horstmann uns im moralischen Gewand den amoralischen<br />
Vorschlag unterbreitet, die Welt auszulöschen, macht Hans Jonas den<br />
Versuch, uns mithilfe der Vernunft in eine Welt zu führen, die sich nicht<br />
selbst zerstört, derselben Vernunft, durch deren kritiklose Anbetung wir da<br />
stehen, wo wir jetzt sind 193 .<br />
Um nicht allzu grob zu verkürzen, sei hier zugegeben, daß auch das Werk<br />
der Aufklärung noch nicht ganz getan ist,wenn auch Sloterdijk bereits von<br />
Ermüdung an der Aufklärung spricht (92;33), daß also auch die Gefahr<br />
einer Verdunklung des Geistes 194 noch besteht. Wäre diese beseitigt, was<br />
leichter gesagt als getan ist, so könnte man, nach der Lösung der<br />
Probleme, die rational lösbar sind, sich an den Problemen versuchen, die<br />
es nicht sind, welche nämlich, entgegen einem gängigen Vorurteil, des<br />
Positivismus, nicht immer aus besagter Geistesverdunklung entspringen.<br />
Weltumspannende Zusammenhänge scheinen in ihrer Struktur nicht so<br />
durchschaubar zu sein, daß sie einem so primitiven Konzept wie der<br />
menschlichen Vernunft, der in der Regel schon ein Schachcomputer<br />
widersteht, gehorchen 195 .<br />
<strong>Das</strong> Problem, das auch Jonas nicht ganz ausräumen kann, ist das Unheil,<br />
das nur durch guten Willen entsteht 196 .<br />
193 Natürlich ist es eigentlich nicht die Vernunft, sondern der Verstand, den wir kritiklos<br />
anbeten. Während der Verstand in blinder Weise Aufgaben löst, die ihm gestellt werden,<br />
verfügt die Vernunft auch über moralische Qualitäten. Als Informationsquelle kann die<br />
Vernunft sich jedoch nur auf den Verstand berufen und nicht auf Eingebungen oder<br />
Ekstasen. Aus diesem Grund behaupte ich, daß die Vernunft, wenn sie auch der kleinste<br />
gemeinsame Nenner für die Kommunikation aller ist, trotzdem von der Blindheit des<br />
Verstandes nicht ganz frei ist. Ein Schachcomputer ist, nur in Bezug auf das Schachspiel,<br />
dem Verstand weit überlegen. Moralische Entscheidungen, wie sie die Vernunft trifft<br />
liegen offensichtlich jenseits der Möglichkeiten eines Schachcomputers.<br />
194 „Der Wille zur Nacht“.<br />
195 "Die von der Liebe geleitete Vernunft des Menschen vermag zwar prinzipiell das<br />
sittlich Gesollte zu erkennen, steht aber wegen ihrer allgemeinen Hinfälligkeit und ihrer<br />
endlichen Begrenztheit immer in der Gefahr des Irrtums"(4;27).<br />
196 Ein gutes Beispiel hierfür bietet das Computerspiel „Tanaland“, in dem der Spieler die<br />
Aufgabe erhält, als Entwicklungshelfer für ein fiktives Entwicklungsland tätig zu werden.