Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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Eigendynamik der Aufrüstung gesprochen hat, deren Ergebnisse in Form von riesigen<br />
Waffenarsenalen heute tatsächlich fast überflüssig geworden sind, aber daran, die Aufrüstung, mit<br />
Unterstützung der öffentlichen Meinung, in Schwung zu halten, waren Pressemeldungen im Stil<br />
der oben zitierten Reader’s Digest - Artikel maßgeblich beteiligt, die stets durch nebulöses<br />
Expertentum von „Verteidigungsstrategen“ und die Wiederholung immer gleicher, nur leicht<br />
umformulierter, Slogans zu überzeugen vermochten. Allein die Reader’s Digest - Beispiele aus<br />
dieser Zeit sind Legion.<br />
III.3.12 Die Bedeutung des Mitleids bei Horstmann<br />
Indem der Mensch mit einer Lüge lebt, sein eigenes Selbst betreffend, die ihn vor dem Kollaps<br />
bewahrt, ist er das bemitleidenswerteste Geschöpf überhaupt. Dennoch haben Philosophen aller<br />
Zeitalter das Mitleid sehr unterschiedlich bewertet. Wenn auch das Mitleid aus philosophischer<br />
Sicht an dieser Stelle nicht erschöpfend behandelt werden kann, soll es hier doch einen kurzen<br />
Überblick über verschiedene Stimmen bekannter Philosophen über das Mitleid geben, gerade weil<br />
Horstmann dieser mutmaßlich so edlen Emotion eine breite Wirkung in seinem „<strong>Untier</strong>“ einräumt.<br />
Bei den Klassikern bezeichnete Plato das Mitleid geradezu als Laster, weil es einen Mann<br />
verweichliche. Beim Anschauen einer Tragödie werden einem, nach Plato, Tränen entlockt,<br />
obwohl es sich für einen Mann nicht schickt, zu weinen. Außerdem sieht man in der Tragödie<br />
Menschen in Situationen, derer man sich selbst sehr schämen würde und zollt ihnen<br />
nichtsdestotrotz Beifall.<br />
Ganz anders sieht Aristoteles das Mitleid einfach als Phänomen des menschlichen Lebens, ohne<br />
sich zu fragen, ob es sich nun schickt, Mitleid zu haben oder nicht. Er geht davon aus, daß man<br />
Mitleid hat.<br />
Die Philosophen der neueren Zeit neigen ebenfalls wie Plato zu einem wertenden Urteil über das<br />
Mitleid. So schreibt Spinoza in seiner „Ethica, ordine geometrico demonstrata“ von 1677, Mitleid<br />
sei an sich schlecht, da es sich für einen mit Vernunft begabten Menschen erübrige, dieses Gefühl<br />
zu haben, das einen nur an der helfenden Tat hindern kann, die einem die Vernunft ohnedies<br />
gebietet. Doch „wer weder durch die Vernunft noch durch Mitleid bewogen wird, anderen Hilfe zu<br />
leisten, der wird mit Recht ein Unmensch genannt, denn er scheint einem Menschen nicht mehr<br />
ähnlich zu sein“(Spinoza; Lehrsatz 50)(53;48f.).<br />
Bernard de Mandeville schreibt in seiner „Bienenfabel“ von 1724: „Barmherzigkeit ist diejenige<br />
Tugend, kraft deren ein Teil unserer aufrichtigen Liebe zu uns selbst rein und unvermischt auf<br />
andere übertragen wird, ... Diese Tugend wird nun oft durch eine Leidenschaft in uns gefälscht, die<br />
wir Mitleid oder Mitgefühl nennen und die in einem Mit - Leiden und Anteil - Nehmen bei dem<br />
Unglück und Mißgeschick anderer besteht. Alle Menschen sind ihr mehr oder weniger<br />
unterworfen, die schwächsten Gemüter aber im allgemeinen am meisten“(53;50f.). In dem<br />
folgenden Beispiel, wo jemand, ohne die Möglichkeit einzugreifen, zusehen muß, wie ein Kind<br />
von einer Sau gefressen wird, schleicht sich ein Anflug von Zynismus in die „Bienenfabel“,