Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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So scheint es, daß die Frage nach Sein oder Nichtsein der Biosphäre<br />
unseres Planeten, so wie wir sie kennen, also nicht nur auf Viren und<br />
Ratten geschrumpft, nicht in jedem Fall eine Frage der Tat, sondern ganz<br />
entscheidend auch eine der Denkgewohnheiten ist.<br />
Man muß sich vor Augen halten, daß die abendländische Ratio,<br />
unbezweifelbar das bisher größte Projekt der Menschheit, wenn man<br />
bedenkt, daß sie mittlerweile bereits asiatische Hirne erweicht, nichts als<br />
eine immer detaillierter werdende Quadratur des Kreises vorstellt, bei der<br />
wir unfähig bleiben,die Dinge an sich, oder das Wesen der Dinge<br />
anzusprechen.<br />
Auch die Idee, das Wesen der Dinge als bloßen Spuk zu bezeichnen<br />
(vgl.95;42f.) konnte uns nur einmal mehr über diese Unfähigkeit<br />
hinwegtäuschen, gab uns dafür aber verlorenes Selbstvertrauen zurück,<br />
das bis Stirner zwischen tradierten Autoritäten verkeilt war.<br />
So zeigt sich, daß für die Anwendung der Vernunft zunächst nicht der<br />
Beweis ihrer Tauglichkeit, sondern der Glaube an sie notwendig ist (Karl<br />
Popper). Da kann man wenn man Lust hat auch an Buddha glauben.<br />
So werden wir, um zwei Denkrichtungen der klassischen Moderne zu<br />
nennen, im Existenzialismus (z.B. Sartre und Cioran) vor die Wahl "Totum<br />
et Nihil" gestellt, wobei für uns, die wir vom ausgeschlossenen Gegenteil<br />
verführt wurden, die Annahme, daß Alles Nichts sei, inakzeptabel ist,<br />
während der Pragmatismus (z.B. Peirce und Mead) aus dem Menschen<br />
mit all seinen Möglichkeiten den Menschen im Alltag macht, mit nur einer<br />
Möglichkeit, nämlich Handlungserwartungen zu entsprechen und danach<br />
seine Begründungspflicht zu erfüllen (im Alltag !), was selbst neben der<br />
auch nur vagen Befürchtung eines globalen Holocaust, von Verseuchung,<br />
Verschmutzung etc. Realsatire ist 198 .<br />
Wenn man sich einen solchen Menschen vorstellt, wie er sich ständig im<br />
Alltag bewährt, aber ohne jede Ahnung ist von Angst, Liebe, Tod, von<br />
Grenzsituationen also, dann wirkt er wie die Karikatur eines antiken<br />
Stoikers, der während eines Gewittersturmes versucht, ein Formular<br />
auszufüllen. So steckt für mich in dem Begriff "objektives"<br />
Handlungsproblem schon eine Nichtanerkennung göttlicher Vorsehung,<br />
die jeder hungernde Inder Lügen straft. Denn wie kann ein<br />
Handlungsproblem "objektiv" sein, wenn Fatalismus schon einen Ausweg<br />
darstellt?<br />
198 Zu der den Pragmatismus durchherrschenden Nüchternheit vgl. 76;79f. Deren<br />
Auswirkung auf die Sozialforschung zeigt sich 60;197f.