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Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk

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Bei d’Holbach selbst hört sich das so an: „Scheint der Eroberer nicht seine Schlachten für die<br />

Raben, für die wilden Tiere und die Würmer zu schlagen? ... Alle Dinge ... entstehen um<br />

unterzugehen ... Ein sehr flüchtiger Blick genügt also,um uns darüber zu belehren, daß die Idee<br />

falsch ist, nach der der Mensch die Endursache der Schöpfung ... ist“(ebd.). Hier wird deutlich,<br />

daß sich d’Holbach vom „teleologischen Naturbegriff“ distanziert, der die Natur als „Pyramide“<br />

dachte: vom Anorganischen zum Organischen, vom primitiven Mikroorganismus zum<br />

ausdifferenzierten Wirbeltier und dann zum Menschen, im System der Natur wird deren<br />

Ziellosigkeit behauptet, und das <strong>Untier</strong> findet sich wieder als ein Organismus unter vielen, der in<br />

die „Konkurrenz alles Seienden“ zurückfällt und so erstmals vorstellbar wird als fossil oder<br />

ausgestorben.<br />

Konsequent fordert D’Holbach die Rücknahme der königlichen Rolle des Menschen, eine Idee, die<br />

schon von Montaigne anvisiert worden war (vgl. 40;30). Der Mensch ist ein „überholbares<br />

Eintagswesen“(40;42). Trotz der erwähnten Vorarbeiten anderer Denker, ist diese, Aspekte des<br />

Darwinismus vorwegnehmende, Erkenntnis eine Pionierleistung, die nicht mehr zurückgenommen<br />

werden kann. Die Vernunft gesteht sich ihre eigene Sterblichkeit ein und leistet Verzicht auf die<br />

Teilhabe an Gottes spirituellen Geheimnissen. Zugleich beginnt Kant, ganz in d’Holbachs Sinn,<br />

die Grenzen des Erkennbaren abzustecken und die metaphysische Spekulation ins Aporetische<br />

auszulagern, während einige französische Aufklärer versuchen „- wir erinnern uns an Voltaires<br />

Kommentar -“, dem System der Natur Inkongruenzen mit der Wirklichkeit nachzuweisen. Zu den<br />

Kritikern gehören Condorcet, der „eine säkulare Metaphysik des unendlichen Fortschritts“(ebd.)<br />

vorlegt und Rousseau, der in einer „bußfertige(n) Zivilisationskritik“(40;43) versucht, „das<br />

Destillat des jüdisch - christlichen Auserwähltheitsbewußtseins“(ebd.) zu retten.<br />

„Diese ‘Aufklärung’ war der Aufklärung nicht gewachsen“(ebd.). Der „anthropozentrische<br />

Revisionismus“ macht sich nun daran, zu seinem eigenen Vorteil umzudenken. Statt „Gott und<br />

Vaterland“ sind Menschenrechte angesagt, in deren Namen es zu brandschatzen, plündern und<br />

morden gilt. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ skandierend zieht das <strong>Untier</strong> „flugs die<br />

Trikolore auf“(ebd.) und „macht sich<br />

besten Gewissens an die Dezimierung seiner Landsleute ... wenig später unter der Führung eines<br />

zwergenhaften Korsen an die Verheerung ganz Europas“(ebd.). Angesichts solchen<br />

„guillotinierenden Patriotismus“ wäre es an der Zeit gewesen, das Menschenbild in d’Holbachs<br />

Sinn radikal abzuändern, aber weit gefehlt! Man fand sofort entsprechende Ausreden, habe es nur<br />

gut gemeint und dabei „Briefe zur Beförderung der Humanität verfaßt“. So mußte die Theorie rein<br />

und makellos gewesen sein, war sie auch von gewissen Leuten zur Rechtfertigung von Übeltaten<br />

mißbraucht worden. Als nach den napoleonischen Kriegen alles in Stücke geht, als<br />

Demagogenverfolgung und Karlsbader Beschlüsse „für Ruhe in den Ruinen“(40;44)sorgen, lehrt<br />

Schelling den „Urgrund“, Hegel den „Weltgeist“, während Wilhelm von Humboldt und Friedrich<br />

Schleiermacher „ohne Rücksicht auf ‘beiherspielende’ Wirklichkeit“(ebd.) Humanität und<br />

Persönlichkeitsentfaltung lehren.

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