Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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egriffliche contradictiones in adjectis : so faszinierend es ist, Leibniz zu lesen, so unangemessen<br />
reduktiv ist es, eine Lebensform, und dafür hält man Gott gemeinhin - wenn nicht körperlich, so<br />
doch im Geiste - mit der Terminologie der Mathematik zu beschreiben, oder zu fassen zu<br />
suchen 22 .<br />
In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß Leibniz seine Deduktionen über Gott<br />
aus dem rationalistischen Gottesbeweis des Anselm von Canterbury gezogen hat. Der<br />
Rationalismus ist das Fundament Leibnizschen Denkens, der ihn methodisch zwang, von oben<br />
nach unten zu denken, d.h. vom Allgemeinen auf das Besondere zu schließen, etwa wie Platon, für<br />
den alles Seiende nur die unvollkommene Abbildung einer Idee als Urform aus dem Ideenhimmel<br />
war, im Gegensatz zu Aristoteles, der von unten nach oben dachte, indem er die Empirie zur<br />
Grundlage zum Erschließen der höheren Dinge machte und so vom Besonderen auf das<br />
Allgemeine schloß. Auch Leibniz’ Optimismus resultierte aus dieser Denkweise.<br />
Zu Leibniz' Zeit fand eine Wende in der Geschichte der Philosophie statt. Hätte man, wie er und<br />
seine Vorgänger, an die "beste aller möglichen Welten"(57;§8) geglaubt und damit an Gott und<br />
eine gütige Vorsehung, hätte es keine atheistische Aufklärung gegeben.<br />
In Kapitel III.3.6 der vorliegenden Arbeit wird Horstmanns Standpunkt zu Leibniz' Theodizee<br />
erklärt werden, die er ausgerechnet wegen des, von einem guten Menschen zu erwartenden,<br />
Mitleids mit der Kreatur als unhaltbar darstellt. Voltaires "Candide oder der Optimismus" räumte<br />
mit der "besten aller möglichen Welten"(101;4) auf, sodaß der Goethesche Standpunkt einer<br />
kontemplativen Wissenschaft (vgl.41;166), die die Natur in leibnizscher Manier als das<br />
Vollkommene ansieht, die es zu verstehen gilt und nicht zu ersetzen, von allumfassender<br />
Technologie verdrängt wurde 23 . So ist über den Umweg des Mitleidens der Positivismus in den<br />
Naturwissenschaften begründet worden, der als conditio sine qua non der "Zukunftsoffenheit"<br />
technischen Fortschritts voranging (dem sonst wie bei Galilei und Darwin religiöse Skrupel, bzw.<br />
Machtansprüche entgegengestanden hätten), dessen (des Positivismus) Objektivität dann<br />
bezweifelt werden muß, da die Anwendung Leibnizscher Philosophie auf die Wissenschaften<br />
weitreichende Konsequenzen für ihre Gestaltung gehabt hätte.<br />
Es ist außerdem anzumerken, daß sowohl Leibniz, als auch Voltaire, wurzelnd in den<br />
Denktraditionen ihrer jeweiligen Zeit, lediglich als deren herausragende Vertreter ihre Standpunkte<br />
formulierten (vgl.101;XIVf.). Wenn man also annimmt, daß beide Gedanken zu Papier brachten,<br />
die gleichsam in der Luft lagen, ist es - zumindest hier - nicht möglich, aufgrund der<br />
Willensfreiheit der Autoren, ihnen soetwas wie "individuelle Schuld" an einer späteren<br />
Entwicklung zuzuweisen.<br />
nicht in rein mathematischem, sondern vielmehr in kabbalistisch - zahlenmystischem<br />
Zusammenhang (vgl.2;262f.).<br />
22 Der ganze Zusammenhang wird in der Monadologie, §§ 37 - 48 dargelegt.<br />
23 Die Herrschaft der Technik kam im Gefolge des wissenschaftlichen Positivismus.