Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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So ist der „Motor“ der Moderne also gar nicht nur in Erfindungen zu sehen,<br />
die wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch in der<br />
Wandelbarkeit und damit Dynamik politischer Verhältnisse. In Deutschland<br />
ist es nun schon die dritte Regierungsform, die nicht „von Gottes Gnaden“<br />
ist. „Modern“ wird so zum Synonym für Bewegung, nicht nur in<br />
technologischer, sondern auch in politischer Hinsicht.<br />
Man sollte, ehe man sich allzuleicht von Jonas in Nietzsches, leider<br />
veralteten, denn die Zeit ist schnellebig, Realismus (vgl.72;§34)<br />
zurückführen läßt, dem auch Sloterdijk nocheinmal aufgesessen ist, indem<br />
er nämlich immer nur die materielle Seite von Diogenes’ Handlungen<br />
betont (Kann ein Idealist keine Tabus verletzen?) (vgl.92;210), nicht<br />
vergessen, alle möglichen Utopien zu prüfen, denn auch wenn Utopos<br />
eigentlich „Nowhere land“ 178 heißt, könnte in der bisher nichtgetesteten<br />
Anarchie ein Überlebensimpuls stecken.<br />
Bei Thomas von Aquin spiegelten sich die klassischen Herrschaftsformen<br />
des Aristoteles: Oligarchie, Politie, Demokratie, Monarchie und Tyrannis<br />
noch ohne die Ahnung vom Erfindungsreichtum der Moderne (vgl.98;13).<br />
So konnte Thomas auch nicht an die Möglichkeit von Anarchie denken,<br />
die nichtsdestotrotz heute auf privater Ebene gut gedeiht, wenngleich sie<br />
auch vor der Öffentlichkeit noch nicht die Vermessenheit besäße, als<br />
Alternative zur Demokratie aufzutreten, die wie vorhin erwähnt, keinen Tag<br />
älter ist als die Anarchie, wenn man von ihren chauvinistisch geprägten<br />
Testläufen in griechischen Stadtstaaten einmal absieht, wo Bürger nur der<br />
sein konnte, der kein Sklave war (vgl.32;33f.).<br />
Anarchismus ist eigentlich nichts weiter, als bis ins kleinste getriebener<br />
Föderalismus, bei dem dann die Zentralregierung ganz wegfallen soll,<br />
nachdem <strong>Verantwortung</strong> und Macht kleinsten Funktionären wie<br />
Dorfvorstehern oder Mietshaussprechern übertragen worden sind. Der<br />
Mensch erlangt die „Regierung seiner selbst und durch sich<br />
selbst“(54;111). Der Begriff „Anarchie“ wurde im 17. oder 18. Jahrhundert<br />
aus dem Griechischen entlehnt. Als „antiker Anarchist“, der er sicher war,<br />
vertrat Diogenes eher die Richtung von Stirner, als die von Kropotkin (vgl.<br />
54;68). Eine eigene Form, denn das ist im Anarchismus ja Programm, der<br />
Anarchie vertrat Michail Bakunin, der auf die Frage, wer recht habe, die<br />
Idealisten oder die Materialisten antwortete: „Ohne jeden Zweifel haben<br />
die Idealisten unrecht und nur die Materialisten haben recht“(8;97).<br />
178 „Nirgendland“