Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk
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ein Sterblicher ist, nicht sehr wichtig ist. "Charakteristisch schon die Unzahl der<br />
Schöpfungsmythen, in denen bei der Menschenherstellung durch die Götter schlicht von Pfusch<br />
und Ausschuß die Rede ist. Da versuchen es die Demiurgen mit Stein, Holz, Erde, Wachs,<br />
Schilfrohr - und das Resultat ist immer von der gleichen Erbärmlichkeit: das Wachs schmilzt in<br />
der Sonne, die aus Holz gefertigten Prototypen stehlen sich eiligst in eine bessere Welt davon, in<br />
der ewiges Leben auf sie wartet, die aus Felsgestein scheren sich keinen Deut um den<br />
Verhaltenskodex ihres Schöpfers und so fort"(40;10).<br />
Der anthropofugale Gedanke der Fehlerhaftigkeit des Menschen als Gattung stellt in Mythen ein<br />
typisches Motiv dar, wie auch die Fremdheit des Menschen in der Welt. 43<br />
"<strong>Das</strong> mythisch - religiöse Bewußtsein ist überall dort, wo es das <strong>Untier</strong> als ausgesetzt, fremd, aus<br />
der Totalität der Schöpfung herausfallend begreift und es auf phantasievoll - rabiate Weise als<br />
Fremdkörper beseitigt, anthropofugales Bewußtsein"(40;12). So ist das Motiv der Menschenflucht<br />
ein mythischer Topos. <strong>Das</strong> Verhältnis der Menschen zu ihren Schöpfern ist nicht von Harmonie<br />
gekennzeichnet. So entsteht "jene prometheische Vorstellung vom Menschen"(40;13), der sich in<br />
einer feindlichen Welt zur Wehr setzt, notfalls durch den Diebstahl des Feuers der Götter. "<strong>Das</strong><br />
Aufrücken des Prometheus - Mythos zur gängigen Selbstdeutungsschablone der Moderne zeigt,<br />
daß auch das mythische Bewußtsein die anthropofugale Perspektive nicht verläßlich bewahren<br />
konnte, ja über weite Strecken - entweder durch eine deformierende Überlieferung oder eine späte<br />
'prähumanistische' Eigendynamik - selbst als anthropozentrisch infiltriert erscheint"(ebd.).<br />
III.3.1.1 Kritik an Horstmanns Verständnis der Mythen<br />
Daß Horstmann die entsprechenden mythischen Inhalte hier (vgl.40;13) als Fälschungen aus<br />
späterer Zeit bezeichnet, könnte schon ironisch sein. Stilistisch lehnt er sich hier an moderne<br />
Interpretationen archäologischer Fakten, z.B. der Schriftrollen vom Toten Meer, wo mit der<br />
Redewendung „deformierende Überlieferung“ stets das Tappen im Dunkeln beginnt. Daß, um ein<br />
Beispiel zu nennen, Marduk im gattungsnarzißtischen Enuma Elisch(vgl.36;108f.) nachdem er die<br />
Tiamat, den Urozean des Chaos, besiegt hatte, nicht nur zum babylonischen Stadtgott und<br />
Herrscher über die Götter, sondern auch zum Schöpfer des hochgelobten Menschen wurde,<br />
„Marduk ... begehrt, Kunstvolles zu schaffen“(36;121) ist seitens der Philologie unzweifelhaft. 44<br />
Inhaltliche Manipulationen hätten also die Babylonier vornehmen müssen, oder irgend jemand vor<br />
ihnen, wie die Bewohner des Mari - Reiches, oder die Sumerer. Es ist heute unmöglich, das uralte<br />
"Höllenfahrt der Ishtar" selbst gedemütigt wird, als sie in die Unterwelt hinabsteigt (vgl.<br />
36;206f.).<br />
43 So ist Enkidu zunächst ein Waldmensch, auf indonesisch hieße das "Orang - Utan",<br />
dem die Menschen fremd sind. Durch die Bekanntschaft mit der Tempeldirne werden ihm<br />
dann die Tiere fremd, mit denen er vorher noch am selben Wasserloch getrunken hat<br />
(vgl.84;30f.).<br />
44 Man hat das keilschriftliche Enuma Elisch auf Tontafeln gefunden. Die Hauptmasse<br />
stammt aus der Bibliothek des Assurbanipal (vgl.36;108).