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Das Untier Und Seine Verantwortung - Kritisches Netzwerk

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Natur an (vgl.44;393), diese wäre gegeben, wenn man, wie in der Antike,<br />

wieder seine Zuflucht zu Orakeln nehmen und nach pantheistischer Art an<br />

Naturgeister glauben würde (vgl.6;98f.). Die Wesenheiten, denen man ihre<br />

Existenz zugesteht, entfalten dann ein Eigenleben, werden aggressiv und<br />

treiben Schabernack, wie Milarepas Kampf mit den Berggeistern des<br />

Himalaja zeigt (vgl.61;16f.).<br />

Die moderne Fantasy - Literatur und deren Verfilmungen zeigen<br />

interessante Kombinationen hoher technischer Standards mit archaischen<br />

Lebensformen 127 . Auch ist bislang nicht bewiesen, daß uns das zufällige<br />

Niederfallen von Kieselsteinen keine Auskunft über die Zukunft gibt.<br />

Entgegen allem „Aberglauben“ will der moderne Mensch das Seiende<br />

empirisch geklärt wissen, z.B. durch die Statistik, die ohne die (meist<br />

vernachlässigten) Angaben der Grundgesamtheit und der ausgewählten<br />

Stichproben ebenfalls "mysteriös" bleibt. Überhaupt okkupiert die Statistik,<br />

wenn man sie als die Kunde davon, wie die Gemüter der Menschen zu<br />

bewegen seien, versteht, in der heutigen Zeit den Platz, den in<br />

vergangenen Jahrhunderten die Magie innehatte (vgl.16;102f.). Eine<br />

Katharsis durch den Kynismus bedeutet in jedem Fall das radikale<br />

Infragestellen vertrauter Gewißheiten 128 , bis hin zur Vernunft selbst als<br />

höchste Instanz der Erkenntnis.<br />

Seit Jahrhunderten gibt es keine „große“ Literatur mehr,ohne diesen<br />

neokynischen Impuls, den man auch als „neokynisches Augenzwinkern“<br />

bezeichnen könnte, ein scherzhaftes zunächst nur belletristisches<br />

Element, das sich seit Nietzsche auch in der Philosophie findet, das<br />

inhaltlich dafür steht, nicht ganz beim Wort genommen werden zu wollen.<br />

Stirner z.B. handelt über sein Thema noch ebenso in vollem Ernst, wie es<br />

bei Francis Bacon in „<strong>Das</strong> neue Atlantis“ zu sehen ist.<br />

Bei Nietzsche tun sich die Abgründe der Ironie plötzlich auf.<br />

Im frühen zwanzigsten Jahrhundert argumentierte Sartre als Philosoph<br />

noch in vollem Ernst, z.B. über „<strong>Das</strong> Sein und das Nichts oder Was ist<br />

Exstentialismus?“ von 1943 (vgl.81;41f.), dafür schrieb er aber seine<br />

sarkastischen Theaterstücke, wie „Geschlossene Gesellschaft oder Was<br />

ist der Andere“ von 1944(vgl.81;27f.). Den Existenzialismus des Cioran<br />

könnte man auch „seduktive Philosophie“ nennen. Er hört gar nicht mehr<br />

127 Filmische Beispiele sind „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“, „Logan’s Run“ oder<br />

John Carpenters „Die Klapperschlange“.<br />

128 Dank der Statistik haben die heute vertrauten Gewißheiten mit denen vor 100 Jahren<br />

nicht mehr das Geringste zu tun. Auch dies ist ein Punkt, nach dem man heutige<br />

Gewißheiten befragen sollte.

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